Schnell noch vor dem Kletterkurs einen Klettergurt gekauft und gewundert, warum die Beinschlaufen so komisch aussehen? Oder beim Auspacken noch gefragt, warum der Gurt so gar nicht gepolstert ist oder so eine komische Plastikplane am Hintern hat?
Der Kauf eines Klettergurtes ist eigentlich nicht so kompliziert, aber wenn man sich im rechten Moment nicht etwas Zeit nimmt und am Ende den falschen kauft, dann kann es in den nächsten Wochen und Monaten ganz schön kneifen und zwicken und unter Umständen sogar richtig unangenehm werden.
Wir haben für Euch ein paar Informationen zusammengetragen, die beim Kauf eines Klettergurtes hilfreich sein können, bzw. unbedingt gewusst werden sollten.
Bei Klettergurten (Anseilgurten) unterscheidet man drei Arten:
- Hüftgurt
- Komplettgurt oder Kombigurt
- Brustgurt
- und dann gibt es noch die Kleinkörpergurte
Wir stellen Euch eine Art nach der anderen vor und erklären Euch, welcher für wen geeignet ist und worauf Ihr beim Kauf achten solltet.
Hüftgurt
Das ist die gängigste Art, die man auch in jeder Kletterhalle haufenweise zu sehen bekommt. Der allgemein käufliche Hüftgurt kann von einem erwachsenen Menschen im Grunde für alles genommen werden, also Sportklettern, alpines Klettern, Eisklettern, Klettersteig oder auch Hochtouren. Hat ein Gurt die Normanforderungen nach EN und UIAA erfüllt, kann man eigentlich nichts mehr falsch machen und büßt höchstens Bequemlichkeit ein.
Aber natürllich haben sich die Hersteller Gedanken gemacht und inzwischen gibt es Variaten des Hüftgurtes, die auf die eine odere andere Disziplin optimiert sind.
Klettergurte
Diese Gurte, sind für den Klettergebrauch gedacht. Je nachdem, welche Disziplin man klettert (Sportklettern, Mehrseillängen/Big Wall), braucht man auch mehr Features
Sportklettern: Diese Gurte sind meist recht leicht, haben nicht so viele Materialschlaufen und auch weniger Schnallen um den Gurt in seiner Größe anzupassen. Da man für gewöhnlich nicht so lange im Gurt sitzt, können Hüft- und Beinschlaufen auch mit weniger Polsterung auskommen.
Mehrseillängen: Hier ist man schon wesentlich länger in der Wand unterwegs und braucht viel mehr Verstaumöglichkeiten für Material wie Expressen, mobile Sicherungen etc. Diese Gurte haben dementsprechend viele Materialschlaufen. Polsterung kann hier wichtig sein, muss aber nicht. Aber viele Materialschlaufen sind ungemein wichtig.
Big Wall: Da man häufig am Stand im Gurt hängt, während man sichert und auch viel Material aus dem Gurt die Wand hochbringen muss, sollten die Hüft- und Beinschlaufen schön breit und weich gepolstert sein. Diese Gurte brauchen außerdem eine Nachziehschlaufe auf der Rückseite des Gurtes, die einiges aushält. Hieran wird das Materialseil (ein Statikseil) befestigt, an dem dann wiederum das Material hochgezogen wird.
Klettersteig: Hier nimmt man bevorzugt einen Sportklettergurt, der keine großartige Polsterung hat, aber in dem man sich gut bewegen kann. Im Klettersteig sitzt man normalerweise nicht im Gurt, daher liegt hier eher der Fokus auf leicht und viel Bewegungsfreiheit.
Hüftgurte für Hoch- oder Skitouren
Diese Gurte sind nicht dazu gemacht, dass man in ihnen sitzt, daher sind sie überhaupt nicht gepolstert, dafür aber sehr klein verpackbar, sehr leicht und einige kann man an- und ausziehen, ohne die Skier oder Steigeisen abzulegen. Außerdem sind die Beinschlaufen sehr weit, damit man dicke Hosen darunter tragen kann.
Canyoning Gurte
Sind speziell für die Bedürfnisse von Freunden des Canyonings. Mit denen werdet Ihr beim Klettern nicht so viel Spaß haben. Wäre auch echt peinlich mit so einen Gurt in der Halle aufzutauchen.
Brustgurt
Hierbei handelt es sich um eine Ergänzung zum Hüftgurt. Bitte niemals auf die Idee kommen, nur einen Brustgurt zu verwenden, das kann sehr gefährlich werden!!!
Der Brustgurt soll bei einem Sturz verhindern, dass sich der Kletterer kopfüber dreht. Normalerweise haben Erwachsene (vor allem wir Frauen) einen optimalen Schwerpunkt, der in etwa auf Höhe des Bauchnabels liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns bei einem Sturz drehen, ist also sehr gering.
Allerdings gibt es Situationen, in denen der Schwerpunkt aus irgendeinem Grund verschoben ist z.B., wenn der Kletterer einen schweren Rucksack trägt oder bei übergewichtigen Personen.
Manche Kletterer mögen es auch einfach gerne für ihr subjektives Sicherheitsempfinden und Klettern daher mit Brustgurt. Denn auch ein Einfädeln mit dem Fuß kann zu einer Drehung führen. Der Brustgurt wird so eingestellt, dass er bei einem Sturz keine Kraft aufnimmt! Er dient lediglich dazu, ein Kippen des Oberkörpers nach hinten zu verhindern.
Will man einen Rucksack über dem Brustgurt tragen, sollte man eine ungepolsterte Variante wählen, das ist wesentlich bequemer.
Komplettgurt oder Kombigurt
Diese Form des Anseilgurtes wird hauptsächlich im Alpinismus (“so hat man es früher gemacht”) oder in der Industriekletterei verwendet. Beim Sportklettern etc. werden sie eigentlich gar nicht eingesetzt, da die Hängeposition für den Kletterer unbequem und Stürze in einen solchen Gurt ziemlich unbequem sind. Da das Stürzen beim Sportklettern aber dazu gehört, würde man sich keinen Gefallen tun.
Beim Klettersteiggehen hingegen werden Kombigurte gerne genommen. Hier sollte man nicht stürzen und es sind häufig Anfänger unterwegs.
Durch die feste Verbindung zwischen Brust- und Hüftgurt, lassen sich Komplettgurte sehr leicht an- und ausziehen. Allerdings nur, wenn sie mal eingestellt sind. Das ist allerdings etwas mühsam und aufwendig.
Kleinkörpergurt
Kleinkinder unter vier Jahren (je nach Entwicklungsstand kann das auch auf ältere Kinder zutreffen) haben einen höher gelegenen Körperschwerpunkt und weniger ausgeprägte Hüften als Erwachsene. Außerdem ist der Reflex auch beim Stürzen den Körper aufzurichten noch nicht so entwickelt. Hier empfiehlt sich eine Kombination aus Hüft- und Brustgurt, die extra für kleine Menschen gemacht ist.
Worauf sollte ich beim Kauf achten?
Anhand der Beschreibung oben weißt Du inzwischen welchen Gurt Du brauchst, jetzt geht es an die Feinheiten. Je mehr Schnallen, umso flexibler kannst Du ihn einstellen – umso länger dauert es aber auch.
Verstellbare Beinschlaufen sind hilfreich wenn Du Deinen Gurt auch mal über einer Jeans tragen möchtest oder dazu neigst, über Weihnachten zuzulegen. Bei Jugendlichen, die schnell wachsen, sind sie auf jeden Fall empfehlenswert.
Wenn Du es gerne bequem hast und bei Deinem Gurt nicht so aufs Gewicht achtest, dann sind breite Beinschlaufen was Feines. Damit kann man das Projekt auch entspannt ausbouldern und ein paar Mal mehr stürzen (ist nur die Frage, was der Kletterpartner dazu sagt). Beim Hüftgurt gilt, je breiter der Gurt am Rücken, umso bequemer ist der Gurt.
Wenn Du es gerne gut belüftet hast, dann empfehlen sich luftdurchlässige Bein- und/oder Hüftschlaufen. Hier entwickeln die Hersteller laufend neue Systeme.
Generell gilt aber, der Gurt sollte gut sitzen und nicht zwicken, denn das kann den Kletterspaß schon mächtig schmälern. Also lass Dir lieber Zeit beim Aussuchen.
Welche Größe?
Bei Hüft- wie Beinschlaufe sollte zwischen Körper und Gurt noch etwa eine Handfläche passen. Der Hüftgurt wird oberhalb des Hüftknochens getragen. Man sollten den Gurt so kaufen, dass die Schnallen nicht am Anschlag sind und an die jeweilige Kleidung noch angepasst werden können.
Inzwischen gibt es von vielen Herstellern auch Frauenmodelle. Diese sind auf die Anatomie von Frauen angepasst und machen, je nach Figur, wirklich Sinn.
Wann brauchts einen neuen?
Die Faustformel des DAV lautet 5 Jahre Lagerung und 5 Jahre Gebrauch.
Allerdings gilt das nicht, wenn der Gurt vorher beschädigt wurde oder durch hohe Belastung Abnutzungserscheinungen zeigt. Außerdem sollte man auch immer schauen, was der Hersteller zu dem jeweiligen Modell schreibt.
Der Gurt auf dem Bild hatte übrigens gerade mal drei Jahre auf dem Buckel, wurde in dieser Zeit aber mind. 3-4 die Woche benutzt. Wir haben Euch daher ein paar Infos zusammengeschrieben woran ihr erkennt, wenn es Zeit für einen neuen Klettergurt wird. Hier findest Du den Artikel.
Im Bereich Klettern und Outdoor tut sich viel. Neue Produkte werden erfunden, bestehende überarbeitet oder verbessert und auch wir lernen täglich viel dazu. Und natürlich wollen wir unser Wissen an unsere Kunden weitergeben. Daher überarbeiten wir regelmäßig unsere Artkel im Basislager. Wunder Dich also nicht, wenn nach ein paar Monaten ein paar Dinge anders sind. Dieser Artikel wurde zuletzt am 30.10.2015 überarbeitet.