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Nachhaltigkeit: Problemfall Mikroplastik

Inhaltsverzeichnis

„Plaste und Elaste“ hieß es einst einprägsam in der DDR. Damals waren die Wundermaterialien auf Kohlenwasserstoff-Basis hüben wie drüben noch frisch auf ihrem Siegeszug. Mittlerweile hat dieser Komplex der Kunststoffe jede Menge Namen. In der Outdoorwelt weisen Bezeichnungen wie „Tex“, „Pro“ oder „Tech“ im Produktnamen darauf hin, dass hier wohl Kunststoff verarbeitet ist. Und seien wir ehrlich: die Vorteile von Polyester, Polyamid, Polyethylen und Co. sind kaum von der Hand zu weisen. Aber seit einiger Zeit legt sich ein großer Schatten über die einst so heile Kunststoffwelt. Der Begriff Mikroplastik ist in aller Munde… und das leider unter anderem sprichwörtlich.

Das Problem

Illustration des prozentualen Anteils von Plastik in den unterschiedlichen Lebenswelten.
Diese Illustration im GuppyFriend Flyer veranschaulicht wo wir Mikroplastik mittlerweile überall wiederfinden.

Leider hat das erdölbasierte Material neben den für uns Nützlichen auch gewisse unerfreuliche Eigenschaften. Diese Eigenschaften führen ihren ganz eigenen Siegeszug sehr viel weiter, als man es beabsichtigte – nämlich bis in den letzten Winkel und die hinterste Pore unseres Heimatplaneten.

Der Grund dafür ist, dass so gut wie alle Kunststoffe im Laufe ihrer (Ab)Nutzung in unzählige winzige Partikel zerfallen, die ihrerseits fast unzerstörbar sind. Im Falle der Outdoorprodukte sind es  Kunstfasertextilien, die beim Waschvorgang Kunststoffpartikel ins Abwasser abgeben. Am stärksten ist die Absonderung bei aufgerauten Fleece-Materialien, aber auch bei Windbreakern oder Wandersocken tritt sie auf. Aus dem Abwasser gelangen die Partikel dann in sämtliche Wasserkreisläufe und schließlich in alle Weltmeere.

Aufgrund ihrer Leichtigkeit sind die mini Kunststoffteilchen sehr „agil“ und beweglich. Da wundert es nicht, dass diese Teilchen, die man mittlerweile Mikroplastik getauft hat, einfach überall wiederzufinden sind – zu Lande und zu Wasser, in allen Ökosystemen weltweit. Selbst auf den abgelegensten Eilanden gibt es wohl keinen Strand mehr, wo man Mikroplastik nicht nachweisen könnte.

Die traurige Prognose: in den Ozeanen sollen nach Hochrechnungen bis 2050 mehr Plastikteile als Fische schwimmen. Doch nicht nur “außen” zieht der Plastik seine Kreise, sondern auch “innen”. Denn selbstverständlich gelangt das Material auch in die Organismen sämtlicher Lebewesen, einschließlich des Menschen (wo es auch bereits nachgewiesen wurde).

Als visuelle Veranschaulichung haben wir hierfür noch ein Video (es ist zwar auf englisch, aber die Untertitel können auf deutsch angesehen werden):

Dringend benötigt: erste Gegenmaßnahmen

Dass das eine große Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt, leuchtet ein. Neben der Verbreitung liegt das Problem von Mikroplastik vor allem darin, dass die Partikel wie ein Magnet für Giftstoffe wirken – und zwar aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit. Dem will man natürlich nicht tatenlos zusehen.

Die zunehmende Erforschung des Problems macht Sinn, genauso wie es Sinn macht, dass nun auch die großen Player aus Politik und Industrie reagieren. Bis 2030 will die EU-Kommission alle Plastikbehälter in der EU wiederverwertbar machen. Eine löbliche Absicht, doch wie wir von „Klimazielen“ und anderen wohlmeinenden (Umwelt)Vorhaben wissen, klaffen in der großen Politik bisweilen gewisse Lücken zwischen Ankündigung und Umsetzung. Und zudem ist es bis 2030 noch eine Weile hin.

Handhabung bei Sportartikelherstellern

Auch die Sportartikelindustrie lässt es an guten Absichten nicht fehlen. So hat sich die europäische  Interessenvertretung EOG (European Outdoor Group) „ebenfalls zum Thema Mikroplastik Gedanken gemacht, und im Rahmen des EU-Plans Maßnahmen aufgesetzt“, wie es im Branchenjournal SAZSport heißt. Dabei geht es in allererster Linie um die Vermeidung der Partikelabsonderung beim Waschen von Outdoortextilien.

Bislang gibt es Übereinkünfte der EOG mit der europäische Vereinigung für Textilien und Bekleidung (EURATEX), der internationalen Vereinigung für Seifen, Waschmittel und Reinigungsprodukte (A.I.S.E.), der europäischen Kunstfaser-Vereinigung (CIRFS) und anderen. Die Partner wollen gemeinsame Maßnahmen definieren sowie sich dafür verpflichten, Wissen zu teilen und gemeinsam zu forschen. „Ein erster Vorschlag für bindende Maßnahmen soll der EU-Kommission Ende 2018 vorgelegt werden“ heißt es bei SAZSport.

Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Outdoor- und Bekleidungsindustrie nicht die Hauptverursacher der Mikroplastik-Schwemme sind. Verglichen mit den Hauptquellen, nämlich dem Abrieb von Reifen und dem Verlust von Pellets bei der Produktion von Kunststoffen, ist die Mikroplastikbelastung, die auf Bekleidung, aber auch Kosmetika entfällt, verschwindend gering und liegt laut Studien aus Norwegen und des Umweltbundesamts bei geringen einstelligen Prozentbeträgen. Freilich kein Grund, sich zurückzulehnen und nichts zu tun…

Plastik im Meer wird zu Mikroplastik

Konkrete Lösungsansätze

Einzelne „übliche Verdächtige“ der Outdoorindustrie sind schon gut zwei Schritte weiter. Im November 2017 stellte man auf der Textil-Fachmesse Performance Days in München den ersten Fleecestoff vor, der kein Mikroplastik mehr abgeben soll. Der Grund für dieses scheinbar technische Wunder ist einfach: der Stoff, der auf den Namen Biopile hört und vom italienischen Produzenten Pontetorto hergestellt wird, besteht auf der angerauten Innenseite aus Naturfasern.

Das Material, das aus Holz gewonnen wird und hervorragende Funktionseigenschaften haben soll, gibt zwar ebenfalls Mikropartikel ab, doch diese bauen sich im Meerwasser vollständig biologisch ab. Den Anstoß für die Entwicklung hat Vaude gegeben, jener deutsche Hersteller, der seit Jahren immer wieder zu den zuvor genannten „üblichen Verdächtigen“ zählt, wenn es um konkrete Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit geht.

Diese Technologie ist also eine richtig gute Nachricht, die künftig auch die Verantwortung mehr in Richtung von uns „Outdoor-Endverbrauchern“ rückt. Denn dadurch ist die technische Lösung, die funktional UND umweltfreundlich ist, direkt verfügbar, auch wenn das Gewebe vor allem in der Anfangszeit sicher nicht zu den Billigangeboten für die breite Masse zählen wird. Das liebe Geld ist ja leider häufig ein Problem bei wirklich nützlichen und wertvollen technischen Innovationen – am Anfang entscheidet vor allem die Kaufkraft.

Clevere Zwischenlösungen

In unserem Falle der Mikroplastik gibt es aber eine weitere gute Nachricht: der Entwicklungsweg lässt sich mit einer eleganten, sprich definitiv bezahlbaren und auch schon greifbaren Zwischenlösung abkürzen. Das Berliner Zwei-Mann-Startup namens „Guppy Friend“ hat sich nämlich etwas genial einfaches einfallen lassen: den Guppybag.

Der Guppybag, auch Guppyfriend genannt, ist ein 70 x 50 cm großer Waschbeutel, der die Kunstfaser-Bruchstücke daran hindert, ins Abwasser und damit in den Wasserkreislauf zu gelangen. Die Synthetikkleidung steckt man einfach in den Beutel und dann wäscht man ihn ganz normal. Der Guppybag fängt die Fasern nicht nur auf, sondern verhindert durch seine glatte Oberfläche teilweise auch deren Abbrechen. Damit wird ganz nebenbei noch die Lebensdauer der Outdoorkleidung verlängert. Die angesammelte Plastikwolle kann mit einfachen Handgriffen herausgelöst und in den Restmüll entsorgt werden. Meist ist dies jedoch erst nach mehreren Wäschen nötig. Der Beutel selber besteht aus hochqualitativen Polyamiden und kann am Ende seiner Nutzungszeit ebenfalls vollständig recycelt werden. Auch hier haben wir nochmal ein Video in petto:

Wirklich billig ist der Guppybag mit seinen 30 Euro zwar auch nicht, doch gemessen an dem, was er für die Umwelt und für seine Besitzer leistet, ist er wirklich preisgünstig. Der Preis trägt auch dem Guppy Friends- Vorsatz der nachhaltigen Unternehmensführung Rechnung, „denn allein die Einrichtung einer Webmaschine für 2,5 Meter breiten Guppy-Friend-Stoff dauert etwa fünf Wochen, da 62.500 Fäden von Hand eingefädelt werden müssen. Zeit, die fair bezahlt werden soll, und auch das abbaubare Material der Waschbeutel fordert seinen Preis.“

Weitere Infos

Da kann man als Berg- und Naturfreund nicht wirklich meckern – der Guppybag ist sicher kein weiterer grüngewaschener Luxus-Konsumartikel, sondern eine kleine Investition mit großer Wirkung. Dass ich den Guppybag als Zwischenlösung bezeichnet habe, ist übrigens keine Abwertung, denn gerade die Entwickler desselben betonen, dass das Problem Mikroplastik noch viel umfassender angegangen werden muss.

  • Und hier gelangt hier zu weiteren Infos über das Berliner Unternehmen Guppy Friend und dessen Projekt Stop!Microwaste
  • Für einen tieferen Einblick in die Mikroplastiktragödie, gibt es auch von dem dänischen Umweltministerium eine interessante Studie

Kennt oder benutzt ihr den Guppybag schon? Oder welchen weiteren Tipp habt ihr, um Mikroplastik in unserer (Outdoor-)Welt zu vermeiden? Wir freuen uns über eure Kommentare!

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Bergfreund Stephan

“Flat is boring”, dachte ich mir als Kind des Flachlands immer. Bergsport war die Lösung des Problems. Aber nicht aller Probleme, wie ich beim Durchwursteln der Disziplinen von Bouldern bis Hochtouren herausfand. “Egal”, dachte ich mir und fühle mich heute bei alpinen Touren mit leichtem Gepäck sauwohl.

8 Comments on the Article

  1. Markus 29. August 2018 08:51 Uhr

    Danke! Kann mich nur anschließen, toll dass Ihr euch damit beschäftigt! Damit adressiert ihr ein wichtiges Thema welches mich schon oft beschäftigt hat. Schlussendlich will ich als Outdoorler die Natur durch die Aktivität ja nicht gefährden. Ich wasche Fleece mittlerweile nur noch wenn unbedingt notwendig und schau vermehrt nach Wolle. ... Den Guppybag schaue ich mir an.

  2. Michael 22. Juli 2018 16:16 Uhr

    Finde es richtig gut, dass ihr euch auch mit kritischen Themen auseinander setzt und nicht nur verkaufen wollt. So hebt man sich positiv von der Masse ab! Klasse, weiter so!

  3. Matthias 9. Juli 2018 17:45 Uhr

    Hab den Guppybag seit einiger Zeit in Verwendung. Mein Fazit: Ist wirklich eine feine Sache! Hilft nicht nur der Umwelt, sondern schont auch noch die Kleidung und spart Zeit beim Ausräumen der Waschmaschine.

  4. Alpenkati 7. Juli 2018 03:48 Uhr

    Hey wir Outdooractives haben eine Verantwortung! Super Artikel, hätte das Teil gerne sofort bei euch bestellt! Nehmt es doch in eure Produktpalette auf!

  5. Dirk 4. Juli 2018 19:01 Uhr

    Hallo! Glückwunsch zu diesem Artikel. Toll geschrieben, verständlich und aufschlussreich. Super!

  6. Karin 20. Juni 2018 04:06 Uhr

    Kannte den Guppybag bislang nicht - super interessant, werde ich auf jeden Fall weiterverbreiten. Vielen Dank!

  7. Bianca Qu. 13. Juni 2018 17:01 Uhr

    Super Artikel und echt gute Infos! Danke!

  8. Nidhi 4. Mai 2018 18:43 Uhr

    Thanks a lot for the article post.Much thanks again. Fantastic.

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