Du bist kein Hitzetyp? Möchtest Du den Menschenströmen der Städte entfliehen und endlich mal offline gehen? Dann ist ein Sommerurlaub im Norden Schwedens genau das, was du brauchst. Hier kannst du die ruhige Atmosphäre Lapplands spüren, die atemberaubende Fjell-Landschaft und die grenzenlose Tundra bestaunen. Du bekommst die Chance, ganz alleine und nur mit dir selbst zu sein. Denn es gibt hier kein Internet, kein Mobilfunknetz und keinen Strom. Nur sollte man nicht zu lange an einem Fleck verweilen, denn sonst essen einen die Mücken auf, aber dazu später mehr… Zur Tour: Wir (das sind Boris und Olga) stellen dir eine Variante einer 10-Tägigen Tour vor (bist du eher flott unterwegs, dann schaffst du es auch unter sieben Tagen). Es handelt sich hierbei um den nördlichen Teil des Kungsleden Fernwanderweges mit einer Abwandlung zwischen Alesjaure und Sälka. Hier die markanten Wegpunkte:
Аbisko fjällstation – Abiskojaure – Alesjaure – Vistas – Nallo – Sälka – Singi – Kebnekaise fjällstation (mit dem Aufstieg zum Kebnekaise) – Nikkaluokta.
Anreise nach Abisko
Die aus unserer Sicht entspannteste Variante ist der Flug von Stockholm nach Kiruna. Aus dem Ausland kommend muss man das Gepäck in Stockholm am Band abholen und beim Inlandsflug nach Kiruna erneut einchecken.
In Kiruna Flughafen nimmt man dann den Shuttlebus zum Stadtzentrum. Achtung! Der Fahrplan des Shuttlebuses ist auf den Flugplan abgestimmt. Es kommen jedoch am Tag maximal drei Flugzeuge in Kiruna an. Also nicht zu lange herumtrödeln – Gepäck abholen und ab nach draußen zum Bus.
In Kiruna nimmt man den Zug in Richtung Narvik. Es ist ratsam die Zugtickets vorher online zu kaufen, auf sj.se oder mit der SJ-app.
1. Abisko fjällstation
Eine geräumige Station mit der Möglichkeit, gut zu Essen und zu übernachten. Bist du mit einem Gaskocher unterwegs? Hier kannst du dir eine Gaskartuschen kaufen. Toilettenpapier, Zahnbürste, Thermosflasche, Fleecejacke zu Hause vergessen? Der Laden bietet eine gute Auswahl für jeden Outdoor- Enthusiasten.
Die Vorzüge der Zivilisation mit fließend warmem Wasser, Elektrizität und Mobilfunknetz lassen sich hier zum letzten Mal für die kommenden Tage genießen. Da der erste Tourenabschnitt im Abisko Nationalpark liegt, darf man nur an speziell eingerichteten Plätzen zelten. Hier gibt es Feuerstellen und Plumpsklos. Es gibt sogar Feuerholz.
Hat man nach der ersten Etappe noch genug Energie übrig, so kann man sich beim Holzhacken austoben. Außerdem haben es die Mücken nicht so leicht, wenn man die Axt schwingt.
2. Abiskojaure
Eine Station vor einer pittoresken Kulisse. Hier gibt es ebenfalls einen Laden mit Trekking-Mahlzeiten und allerlei Outdoor Krimskrams, eine Sauna, ein Klohäuschen, einen eingerichteten Badebereich und die Möglichkeit, Müll zu entsorgen. Auf den meisten Stationen gibt es diese Segnungen der Zivilisation.
Solltest du die Sauna besuchen wollen, ist es wichtig zu wissen, dass auf allen Saunas entlang des Weges die gleichen Betriebszeiten gelten: um 17 Uhr beginnt die Damensauna, ab 18:30 sind die Herren dran, und um 20 Uhr wird zusammen geschwitzt. Es gilt das Prinzip «jeder ist für alles zuständig», pack also mit an, und fülle bei Bedarf das Wasser auf und achte darauf, dass das Feuer nicht erlischt.
Die Sauna ist im Preis inbegriffen, wenn du auf dem Grundstück der Station zeltest. Anderenfalls sind 50 SEK fällig. Die Preise fürs Zelten direkt neben einer Station schwanken hier und da, liegen im Schnitt aber bei ca. 300 SEK pro Person.
3. Alesjaure
Auf dem Wegabschnitt zwischen Abiskojaure und Alesjaure befinden sich die ersten Gletscherseen. Das von den Gletschern transportierte Gesteinsmehl reichert sich in diesen Seen an und reflektiert vor allem die blaugrünen Anteile des Lichts, sodass das Wasser in einem wunderschönen Türkis erstrahlt. Außerdem sieht man hier Rentiergehege und saisonale Siedlungen der Samen. Während des Sommers stehen die Siedlungen leer.
Die Station Alesjaure befindet sich in unmittelbarer Nähe der dauerhaften samischen Siedlung Alisjavri. Die Station ist gut besucht (nicht zu vergleichen mit manchen Alpenhütten, für schwedische Verhältnisse jedoch bereits ziemlich überlaufen). Ein kleiner Tipp für den Sparfuchs: auf der anderen Uferseite ist das Zelten kostenfrei.
4. Vistas
Von einem der Stationswirte haben wir den Tipp bekommen, vom klassischen Kungsleden abzuweichen und den Umweg über Vistastal und Nallo zu nehmen. Die Etappe zwischen den Stationen Alesjaure und Vistas ist leicht, aber mit 19km relativ lang. Auf diesem Streckenabschnitt haben wir den ganzen Tag niemanden getroffen.
Obwohl diese Abzweigung vom Kungsleden sich keiner besonderen Beliebtheit zu erfreuen scheint, stehen die Aussichten entlang des Weges dem «Hauptweg« in nichts nach.
Eine andere Besonderheit auf dem Weg zur Vistas Station wird denjenigen auffallen, die regelmäßig auf den Kompass schauen: die großen Eisenerzvorkommen in diesem Gebiet lassen die Kompassnadel ratlos hin und her wackeln. Neben der Vistas-Hütte ist das Zelten wegen Platzmangels nicht gestattet, 100m weiter gibt es jedoch perfekte Zeltplätze und jede Menge trockenes Holz fürs Lagerfeuer.
5. Nallo
Auf dem Weg nach Nallo haben wir zum ersten Mal Rentiere gesichtet, die uns am anderen Ufer überholt haben. Denn Nallo liegt weiter oben in den Bergen, wohin die Rentiere sich auf der Flucht vor den Mücken im Sommer zurückziehen. Hier war es deutlich kühler, und alle holten ihre warmen Jacken und Mützen raus (schade, dass wir die Handschuhe vergessen haben).
Um zur Nallo Station zu gelangen wirst du einen eisekalten Gletscherfluss durchwaten müssen. Falls du mehr Glück hast als wir, und es an dem Tag keine stundenlangen Regenschauer gibt, reicht das Wasser gerade mal bis zu den Knöcheln. Andernfalls ist es ratsam Wassersportschuhe, Crocs oder ähnliches dabei zu haben.
Notiz am Rande: wir waren uns alle einig, dass der Zeltplatz neben der Nallo Station eine der schönsten Aussichten entlang der ganzen Tour hatte.
6. Sälka
Auf dem Weg nach Sälka haben wir beschlossen, etwas mehr Abwechslung in unseren Trip zu bringen und den Berg Reaiddanjunni zu erklimmen. Laut dem schwedischen Reiseführer hätte der Aufstieg etwa 2,5 Stunden dauern sollen. Mit unseren schweren Rucksäcken haben wir deutlich länger benötigt.
Unser Plan war es, den mit dem Aufstieg verbundenen Zeitverlust beim Abstieg zur Station auf der anderen Seite des Berges wieder aufzuholen. Doch was wir nicht bedacht hatten war, dass wir nicht über einen festgetrampelten Pfad laufen würden. Tatsächlich gibt es auf dem Berg gar keinen Pfad, und das Gelände ist teilweise sehr steil und übersät mit losen Felsbrocken aller Formen und Größen. Ganz oben am Rande des schneebedeckten Sattels mussten wir sogar unsere Hände einsetzen und die letzten Meter kraxeln.
Neben der unvergesslichen Aussicht wurden wir noch mit dem Anblick der Rentiere auf dem weißen Schnee entlohnt. Sie sind in unmittelbarer Nähe teils galoppierend, teils rutschend an uns vorbei den Hang hinunter gerast.
Nach dem Abstieg zum Kungsleden haben wir noch ungefähr eine Stunde bis zur Station benötigt. Hier gab es im Laden neben diversem Knabberzeug und Gaskartuschen noch die Möglichkeit, einen Filterkaffee zu bestellen.
Take-home message:
- Der Umweg Alesjaure-Vistas-Nallo-Sälka ist es wert, einen zusätzlichen Tag einzuplanen.
- Überlege es dir gut, ob du mit einem schweren Rucksack einen steilen Hang hoch und wieder runter kraxeln möchtest. Die Knie werden dir dankbar sein, wenn du deinen Rucksack am Bergfuß lässt.
- Rechne nicht damit, in Schweden auf einer Hütte einen Barista anzutreffen. Aber manchmal ist auch irgendein heißer Kaffee besser als gar kein Kaffee…
7. Singi
Der Weg von Sälka zu Singi war relativ leicht und kurz. Zwergbirken, Moose, Flechten und Gräser der Tundra haben die kahle Gebirgslandschaft abgelöst. Ab und zu sah man die Moltebeeren. Solltest du zum ersten Mal so weit in den Norden vorgedrungen sein, empfiehlt es sich, die leckere Moltebeermarmelade zu probieren. Und sollte die Jahreszeit stimmen, kannst du natürlich auch die frischen Beeren probieren. Diese leuchtend orangene Beere mit dem einzigartig süßlich-sauren Geschmack ist eines der Symbole Finnlands. Seit 1999 prägt die Prägestätte des Landes die Frucht und die Blüte der Moltebeere auf die finnischen 2 Euro Münzen.
In Singi angekommen waren wir überrascht, dass in unmittelbarer Umgebung der Station keine Zeltplätze vorgesehen sind. Bereits nach einem Kilometer haben wir jedoch ein schönes Plätzchen, nicht weit von einem Bach, gefunden. Der Tag war dermaßen warm, dass das Wasser mal ausnahmsweise wärmer als 8 Grad war, und sich sogar die Frosthasen ins Wasser wagten. Allerdings musste man flink sein, denn die Mücken waren seit Nallo unsere ständigen Begleiter.
8. Kebnekaise fjällstation (mit Aufstieg zum Kebnekaise)
Auf dem Abschnitt von Singi nach Kebnekaise war deutlich mehr los – wir haben Wanderer überholt, uns kamen Gruppen entgegen, oder wir wurden überholt. Es ist kein Wunder, denn der Aufstieg zum Kebnekaise ist ein begehrtes Ziel auch für die Einheimischen. Manch einer kommt nur übers Wochenende, um den höchsten Berg Schwedens zu erklimmen. Und obwohl es nicht der erste Tag unserer Wanderung war, konnte uns die Landschaft immer noch beeindrucken. Wir sahen eine Schlucht mit einem wilden Fluss und speziell eingerichtete Meditationsplätze, die zum Verweilen einluden.
Nicht weit von der Station gab es zum ersten Mal nach Tagen wieder Empfang. Aber was nutzt einem der Handyempfang, wenn es keinen freien Fleck für das Zelt gibt? Zum ersten Mal hatten wir Schwierigkeiten, einen geeigneten Platz zu finden. Ein Lehrbuchbeispiel, wie der hohen Nachfrage ein sehr begrenztes Angebot gegenübersteht. Ein Königreich für ein Plätzchen für unser Zelt! Nach langem Suchen waren wir auf einem Hügel, weit vom Zeltmeer und fließendem Wasser, fündig geworden. Wir haben beschlossen, zwei Nächte hier zu verbringen, da wir einen Tag für den Kebnekaise eingeplannt hatten.
Der westliche (Normal-)Weg (Västra Leden) erfordert weder eine Materialschlacht, noch alpine Erfahrung, dafür aber jede Menge Ausdauer. Der Weg führt von der auf 690m gelegenen Kebnekaise Station zunächst auf den 1711m hohen Vorgipfel Vierramvare, verliert dann ungefähr 200 Höhenmeter, um das Kaffetal (Kaffedalen) zu durchqueren, und dann in einem Zickzackkurs den knapp 2100m hohen Südgipfel zu erklimmen. Im August 2018 wurde der Südgipfel erstmals niedriger als der Nordgipfel vermessen. Grund dafür ist der zurückweichende Gletscher des Südgipfels. Ach ja, die letzten Meter über den Gletscher zum Gipfel können sehr rutschig sein, und wer ganz nach oben möchte sollte ein Paar Steigeisen oder Grödel mitnehmen. Diese kann man sich an der Kebnekaise Station aber auch ausleihen.
Der westliche Weg wird an besonders gefährlichen und steilen Wegabschnitten mit breiten Steinstufen entschärft. Der Bau wird in mühsamer Handarbeit von Spezialisten aus dem Himalaya durchgeführt. Selbst wenn alle Stufen fertig sein werden, wird der Weg zum Gipfel mit seinen 18 km (hin und zurück) weiterhin kein einfacher Spaziergang sein.
9. Nikkalukota
Am letzten Tag unserer Reise hat sich unsere Gruppe aufgeteilt. Es gibt drei Möglichkeiten von der Kebnekaise Fjällstation in die Zivilisation zurückzukehren:
- in 15 Minuten mit dem Hubschrauber-Taxi für 850 SEK/Person, oder für 300 SEK, falls nur das Gepäck fliegen sollte.
- 18 km zu Fuß.
- 13 km zu Fuß und zwischendurch 5km mit dem Boot.
Wir haben uns für die dritte Option entschieden. Wir wollten noch ein wenig wandern und die Wasserlandschaften sehen (im Reiseführer sahen diese sagenhaft schön aus). Nicht einmal das Schmuddelwetter am frühen Morgen konnte unsere gute Laune bremsen. Wir rannten zum Boot und dem Lap Dånalds entgegen.
Direkt neben der Anlegestelle, nicht weit von Nikkaluokta, liegt das Lap Dånalds – hier bekommt man einen echten Rentierburger. Nach dem kleinen Snack waren es nur noch 5 km bis nach Nikkaluokta, dem Endpunkt unserer königlichen Wanderung.
Tipps des Tages:
- die Bootsfahrt sollte man sich nicht entgehen lassen.
- Lap Dånalds ist ein Muss für die Karnivoren.
- In Nikkaluokta gibt es sehr, sehr, sehr viele Mücken! Hoffentlich hast du vom Insektenschutzmittel noch etwas übrig… Teilweise hat man es im Zelt mit einem dichten Moskitonetz besser als in den kleinen Bungalows.
Wir sind damit am Ende unserer Reise angelangt. Wir hoffen, dass dieser Reisebericht dir bei der Planung deiner Flucht aus dem kommenden Sommer in den kühlen schwedischen Norden hilfreich sein kann.
Zuletzt aktualisiert: 26.07.2023
1 Kommentar zum Artikel
Toll, genau diese Strecke haben wir vor 2 Jahren auch gemacht, nur sind wir wegen unseren Hunden, wie immer, dem Auto angereist und dann aber im September. Schweden ist allgemein ein tolles Land, selbst in Südschweden gibt es Gebiete wo man mehr Tiere wie Menschen sieht aber Nordschweden ist noch mal eine ganz andere Kategorie! Da wir immer mit unseren Hunden unterwegs sind haben wir nie in den Hütten übernachtet sondern im Zelt jedoch sind die Schweden sehr Tierlieb jedoch wollen sie selber entscheiden wann sie sich einem Hund nähern. Sie sind auch sehr Umweltbewusst, würden zwar nie etwas sagen wenn jemand meint seinen Müll einfach liegen zu lassen und räumen diesen dann selbst weg, dann ist man aber bei den Schweden untendurch. Wir haben auch meist eine Angel dabei um zwischendurch uns mal frischen Fisch zu gönnen denn die Gewässer sind richtig sauber und meist voll mit Fisch. Das beste Mückenmittel übrigens, nach unserer Erfahrung, ist Mygga als Pumpspray. Also liebe Touris, haltet Schweden sauber und verhaltet euch nach dem Jedermannsrecht dann seit ihr in Schweden willkommen! L.G. Joerg