In diesem Produkttest werfe ich einen genaueren Blick auf das neue Ulti Stove Kochsystem von Primus. Der renommierte schwedische Outdoor-Hersteller verspricht ein innovatives Produkt, das schnelles und energieeffizientes Kochen ermöglicht und auch unter extremen Bedingungen zuverlässig funktioniert. Für dieses Produkt erhielt Primus 2023 den ISPO Award der gleichnamigen Outdoor-Fachmesse – ob es wirklich etwas taugt, zeige ich Euch in diesem Produkttest.
Kocheinheit
Die Kocheinheit des Primus Ulti Stove Systems verfügt über eine breitflächige Brenneroberfläche mit katalytischer Verbrennung und Infrarotstrahler, die laut Hersteller einen Wärmetransfer von 10.200 BTU (oder 3.000 Watt) bietet. Die Brenneinheit ist seitlich von einer hartanodisierten Metallhülle umschlossen. Die flexible Brennstoffleitung ist wiederum von einem Metallwickelschlauch ummantelt und die Leitung ist entlang ihrer Längsachse drehbar. In der Aussparung an der Unterseite des Kochers können der Schlauch und das Ventil platzsparend verstaut werden; die einklappbaren Füßchen des Kochers halten dabei den Schlauch an Ort und Stelle. Der Kocher besitzt keine eigene Zündvorrichtung wie beispielsweise das Lite Plus Stove System von Primus, sondern muss mit einem Streichholz oder Feuerzeug entzündet werden.
Mit einer Leistung von 3000W ist der Kocher ein absoluter Kraftprotz. Im Bergfreunde-Shop hat nur das Reactor Stove System von MSR eine laut Herstellerangaben minimal höhere Leistung (3200W). Der Primus Ulti ist daher speziell für Unternehmungen unter extremen Bedingungen konzipiert, wie beispielsweise Expeditionen in extremem Klima oder Trekkingtouren unter hochalpinen Witterungsbedingungen.
Am anderen Ende der Brennstoffleitung befinden sich der Anschluss zur Gaskartusche und das Drehventil. Laut Herstellerangaben verträgt sich der Kocher grundsätzlich mit den Brennstoffen Butan, Isobutan oder Propan – Primus selbst bietet spezielle Gasmischungen für den Gebrauch im Sommer und im Winter an, sowie eine speziell leistungsstarke und eine nachhaltigere Gasmischung (Primus bietet auf seiner Webseite einen handlichen Ratgeber zur Auswahl der richtigen Gasmischung). Der ausklappbare Drehregler (siehe unten) des Ventils bietet genügend Grifffläche, um den Kocher auch mit dicken Handschuhen zu bedienen. Zwei ausklappbare „Ohren“ an der Ventileinheit ermöglichen es zudem, die Gaskartusche umgekehrt aufzustellen, was bei sehr kalten Temperaturen die Brennstoffzufuhr und somit die Funktion des Kochers gewährleistet.
Kochtöpfe
Die mit dem Kocher kompatiblen Systemkochtöpfe sind erhältlich in den Größen 1 l, 1,7 l und 2,5 l. Die Töpfe sind aus hartanodisiertem Aluminium hergestellt und verfügen über Auslaufschnauzen und Messskalen. Die einseitig angebrachten Griffe können für den Transport eingeklappt werden und halten mithilfe einer Gummischlaufe den Topfdeckel fest auf dem Kochtopf. Am Boden der Töpfe ist das Wärmetauschermodul angebracht, das Teil des energieeffizienten Wärmeleitkonzepts des Kochsystems ist. Anders als die Töpfe des Kochsystems Primus Lite oder die des Herstellers Jetboil sind diese Töpfe nicht thermisch isoliert – ein darin erhitzter Kaffee wird daher schneller abkühlen als in einem Kochtopf mit einer isolierenden Ummantelung aus Neopren oder Kork.
Das Topfsystem lässt sich dank zahlreicher Ösen auch im hängenden Zustand verwenden. In diesem Fall dienen die ausklappbaren „Ohren“ der Ventileinheit als Befestigungspunkte für die Hängevorrichtung. Im Übrigen rät Primus von der Verwendung systemfremder Kochtöpfe grundsätzlich ab.
Das hohe Fassungsvermögen des 2,5-l -Topfes ist laut Primus zudem dafür ausgelegt, in winterlichen Bedingungen Schnee zu schmelzen.
Technologie
Wärme-was, katalytischer Wie-bitte? Das Primus Ulti Stove Kochsystem ist vollgepackt mit einer Reihe fortschrittlicher Technologien. Aber wie funktionieren diese genau, und welchen Nutzen bieten sie auf dem Trail? Werfen wir einen genaueren Blick auf die drei wichtigsten:
Wärmetauscher
Ein Wärmetauscher ist eine technische Vorrichtung, die thermische Energie von einem Medium auf ein anderes überträgt. Bei diesem Kocher besteht der Wärmetauscher aus einer Reihe dünner, geschwungener Lamellen an der Unterseite der Kochtöpfe, die eine größere Oberfläche bieten, um die Wärmeübertragung zu maximieren. Wenn die Kochtöpfe auf dem Kocher stehen, umschließt die Wärmetauschvorrichtung den Kocher seitlich. Dadurch wird die Wärmeenergie, die bei konventionellen Kochern seitlich in die Umgebungsluft abgegeben würde, effizient in den Wärmetauscher und somit in den Inhalt des Kochtopfs geleitet. Diese Konstruktion minimiert den Wärmeverlust und optimiert den Brennstoffverbrauch, was besonders bei widrigen Wetterbedingungen von Vorteil ist.
Derartige Wärmetauscher sind bei Outdoor-Kochtöpfen kein absolutes Novum – bei den Bergfreunden haben wir eine Reihe an Gaskochern mit integriertem Wärmetauscher. Gleichzeitig sind sie ein Alleinstellungsmerkmal besonders hochwertiger und effizienter Kochsysteme.
Infrarot-Strahler
Konventionelle Gasbrenner erhitzen nicht nur das Kochgeschirr, sondern auch die Umgebungsluft, die aufgrund von Konvektion an der Seite des Kochtopfs aufsteigt. Bei einem Infrarot-Strahlungsbrenner erhitzt das entzündete Gas vornehmlich die Brennfläche des Kochers – visuell erkennbar durch ein intensiv oranges Leuchten –, die die Energie in Form von Infrarotstrahlen an den Kochtopf weitergibt. Infrarotstrahlen erhitzen die Luft nicht direkt, stattdessen erwärmen sie die Oberflächen von Objekten, auf die sie treffen – in unserem Fall die Unterseite und den seitlichen Wärmetauscher des Kochtopfs. Durch den Fokus auf Wärmetransport durch Infrarotstrahlung steigt die Effizienz des Kochers, da insgesamt weniger Wärmeenergie an die Umluft abgegeben wird.
Katalytischer Brenner
Ein katalytischer Brenner ist eine ausgeklügelte Methode, um die Verbrennung von Brennstoffen hinsichtlich Effizienz und der Reduktion schädlicher Emissionen zu optimieren. Der Brennstoff wird dabei im Kocher durch eine feine Netzstruktur bestehend aus einem Katalysatormaterial geleitet, oft einem Edelmetall wie Palladium oder Platin, das wiederum die Aktivierungsenergie der Verbrennungsreaktion senkt. Dies ermöglicht eine effizientere und sauberere Verbrennung. Die katalytische Verbrennung und die damit verbundene niedrigere Brenntemperatur sind zudem der Grund, warum dieser Kocher praktisch keine sichtbare Flamme erzeugt.
Ulti Stove Kochsystem im Praxistest
Aber selbst die innovativsten Technologien sind nutzlos, wenn sie unterwegs keinen echten Mehrwert bieten. Daher lohnt es sich, die wichtigsten Produktfeatures genauer unter die Lupe zu nehmen und ihren praktischen Nutzen zu überprüfen:
Gewicht und Packbarkeit
Das Gewicht eines Kochers ist bekanntlich von zentraler Bedeutung. Die Herstellerangaben geben für das gesamte Kochsystem mit 1-Liter-Topf ein Gesamtgewicht von 600 g an und das können wir mit unseren eigenen Messungen bestätigen. Da wir eine baulich leicht unterschiedliche Testvariante des Kochers testen, können wir leider keine genauen Gewichtsangaben für das System und die einzelnen Bestandteile ermitteln.
Wie man sehen kann, beeinflusst die verbaute Technologie – einschließlich des katalytischen Brenners, des Infrarot-Strahlers und des Wärmetauschers – direkt das Gewicht des Kochsystems. Daher ist dieser Kocher sicherlich nicht die ideale Wahl für UL-Backpacker, die auf jedes Gramm Mehrgewicht achten. Doch letztendlich ist maximale Gewichtsersparnis auch nicht die beworbene Kernkompetenz dieses Kochers – dafür bieten Primus und andere Hersteller leichtere Modelle an, wie zum Beispiel den Primus Express Stove oder das Titanium VenaSt. UL von Stoic. Vielmehr erhält man mit dem Primus Ulti Stove System einen verlässlichen Kocher, der dank der verbauten Technologie alles daransetzt, jedes Joule Energie effizient in deine Miso-Ramennudeln zu transferieren.
Der Kocher im Aufbewahrungssäckchen kann direkt im 1-Liter-Topf verstaut werden – alternativ passt auch eine gewöhnliche Gaskartusche in den Topf. Für beides gleichzeitig ist leider kein Platz.
Kochgeschwindigkeit und Effizienz
Ich teste nun unter realen Bedingungen die Zeit, die das Primus Ulti Stove System benötigt, um 1 Liter Wasser zum Kochen zu bringen. Dies schaffte es in rund 4:20 Minuten (Ausgangstemperatur: 22,4 °C). Das liegt zwar über der vom Hersteller angepriesenen Zeit von „unter 4 Minuten“ – die Diskrepanz kann jedoch durch unterschiedliche Messdurchführung erklärt werden. Zum Vergleich: Der oben genannte Titanium VenaSt. UL von Stoic benötigte unter den gleichen Bedingungen rund 6:30 Minuten, um 1 Liter Wasser zum Kochen zu bringen.
Wie oben erwähnt, punktet der Kocher im Vergleich zu konventionellen Gaskochern durch den Einsatz von komplexen, aber bewährten Technologien, um dessen Effizienz zu steigern. Das Kochen auf konventionellen Gaskochern ist nämlich eine energetisch sehr ineffiziente Methode. Zu viel der erzeugten Wärmeenergie wird nicht ins Essen übertragen, sondern entweicht seitlich in die Umgebungsluft. Das ist der Fall bei heimischen Gasherden – eindrücklich erklärt vom YouTuber Technology Connections. Und bei Camping-Gaskochern ist das nicht anders. Der Effizienzgewinn durch einen energieeffizienten Kocher ermöglicht bei Camping-Kochern keinen großen Kostenvorteil, aber wer einen effizienten Kocher dabeihat, kann bei langen Expeditionen gerne mal auf die ein oder andere Zusatzkartusche und damit mehrere 100g Mehrgewicht verzichten.
Allerdings bedeutet dies im Umkehrschluss auch: Den angenehmen Nebeneffekt, sich am Campingkocher aufwärmen zu können, gibt es bei diesem Kocher eher weniger – dafür besteht auch eine geringere Gefahr, sich am Kocher zu verbrennen. Im Test konnte ich die Hand bis einen Daumen breit an das Kochersystem heranführen, ohne eine unangenehme Hitze zu verspüren. Bei herkömmlichen Gaskochern ist besonders der Bereich rund um den Kochtopf eine absolute Gefahrenzone!
Auch nach dem Erlöschen der Flamme blieb der Kocher nur kurz zu warm zum Anfassen. Mit einem Infrarot-Thermometer gemessen, war die schwarze Außenhülle des Kochers nach etwa 2:30 Minuten auf eine akzeptable Temperatur heruntergekühlt.
Stabilität und Kipppunkt
Als waschechter Expeditionskocher muss der Primus Ulti Stove System auch auf unebenen Grund einen sicheren Halt bieten. Bei erster Betrachtung des Kochers wirkten die drei radial angeordneten Füße etwas zu mickrig für das angepriesene anspruchsvolle Einsatzgebiet. Grund genug, den Kocher einen kleinen Realitätstest zu unterziehen.
Dafür habe ich das Kochsystem, um den höchstmöglichen Schwerpunkt zu erreichen, bis zum Rand mit Wasser gefüllt und es auf eine mit einem Neigungsmesser versehene Platte gestellt. Die Neigung habe ich anschließend graduell erhöht. Den Kipppunkt habe ich in zwei verschiedenen Fußpositionen getestet: in der idealen Position, parallel zur Neigungslinie des Untergrunds, und in der ungünstigsten Position, schräg zur Neigungslinie.
In idealer Fußposition kippte das Kochsystem bei einer Neigung von 27°. Die ungünstigste Fußposition halbierte die maximal mögliche Neigung zu 14° – in beiden Fällen lief da allerdings bereits das Kochwasser aus dem Topf. Trotz der scheinbar kleinen Füße bietet der Kocher also auch auf schräger Oberfläche einen sicheren Halt. Dennoch sollte man darauf achten, die Füße parallel zur Oberflächenneigung zu positionieren und gesunden Menschenverstand bei der Positionierung des Kochers walten zu lassen. Im Übrigen verhinderte das lose Einrasten des Topfes im Kocher, dass der Topf vom Kocher rutscht – wenn er kippt, dann kippt das ganze System. Wer ein festes Einrasten bevorzugt, sollte sich das Primus Lite Kochsystem angucken.
Fazit
Das Primus Ulti Stove System ist ein vielseitiges Kochsystem, das durch seine fortschrittliche Technologie eine sehr gute Kochleistung bei hocheffizienter Wärmeübertragung bietet. Insgesamt ist das Primus Ulti Stove System damit ein verlässlicher Begleiter für Outdoorabenteuer unter den absolut schwierigsten Bedingungen – und dank des 2,5l-Topfes insbesondere dann geeignet, wenn Schnee geschmolzen werden muss oder für mehrere Personen gekocht wird. Wer für weniger Personen kocht oder in weniger extremen Bedingungen unterwegs ist, kann das auch mit leichteren und kostengünstigeren Outdoorkochern erreichen. Die findet ihr wie gewohnt auf Bergfreunde.