Ushguli Kaukasus

Kaukasus: Berge zwischen Kontinenten und Meeren

Inhaltsverzeichnis

Beim Blick in den Atlas zeigt sich der Kaukasus als symmetrisch geschwungener Umriss zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Wobei es nur der “Große Kaukasus” (Russisch: Bolshoy Kavkaz) ist, der durch diesen markanten Umriss eingefasst wird. Die südlich anschließenden und bis in den Iran reichenden Gebirge werden als Transkaukasus oder Kleiner Kaukasus bezeichnet. Jedoch sind diese Höhenzüge räumlich klar vom Großen Kaukasus getrennt und unterscheiden sich auch geografisch. Deshalb und weil ihre Beachtung hier den Rahmen sprengen würde, lasse ich sie außen vor.

Ein Hauch von Geheimnis

Elbrus und Umgebung
Der Elbrus thront mit seinen 5.642 Metern über seiner Umgebung

Wie die anderen Gebirge, die im 20. Jahrhundert “hinter dem Eisernen Vorhang” lagen, umweht auch den Kaukasus bis heute der Hauch des Unbekannten. Wer kein Nerd-Bergfreund ist, wird kaum über ihn mehr wissen, als dass der Elbrus (5642 m) sein höchster Berg ist. Bis ins 21. Jahrhundert hinein war der Kaukasus eine abgeschottete und auch nicht ganz ungefährlich zu bereisende Bergwelt. Manche seiner Regionen wie Abchasien, Südossetien oder Dagestan sind bis heute schwierig zu bereisen.

Europa oder Asien: Wo liegt der Kaukasus wirklich?

Nicht selten wird der Kaukasus zu Europa gezählt. Unter Bergsteigern, die die “Seven Summits” anpeilen, gilt nicht der Montblanc, sondern der Elbrus als höchster europäischer Berg. Doch die europäisch-asiatische Grenze wird oft entlang der Gewässer Bosporus, Schwarzes Meer, Don und Ural gezogen. Nach dieser Definition liegt der Kaukasus klar in Asien.

Um es kurz zu machen: Die Frage der Zugehörigkeit hat keine eindeutige Antwort. Es gibt geografische und kulturelle Argumente für beide Zuordnungen. Lösen kann man den Widerspruch nur, indem man den Kaukasus als Übergangsregion betrachten, die Elemente beider Kontinente vereint.

Die höchsten, bekanntesten und markantesten Berge

Der 5642 m hohe Elbrus ist ein inaktiver und stark vergletscherter Doppelvulkan, der alle anderen Kaukasusberge um mehrere Hundert Meter überragt. Er ragt etwa 20 Kilometer nördlich des Kaukasus-Hauptkamms im westlichen Gebirgsteil auf und befindet sich gänzlich in Russland. Inmitten des Faltengebirges aus deutlich kleineren Bergen wirkt er wie ein übermächtiger Fremdherrscher.

Von der Nummer 2, dem etwa 60 Kilometer weiter ost-südöstlich und ebenfalls ganz in Russland liegenden Dych-Tau (*), bekommt der westliche Bergfreund nicht viel mit. Dabei ist er mit seinen 5204 Metern und den enormen Eisflanken ebenfalls recht stattlich. Als Nummer 3 folgt die von hier nur fünf Kilometer südlich gelegene Shkhara, die mit ihren 5193 m die höchste Erhebung Georgiens (an der Grenze mit Russland) ist. Dieser eisgepanzerte Riese ist auch der östliche Eckpfeiler der “Bezengi-Mauer“, einer etwa 10 Kilometer breiten Wand aus Fels und Eis, die sich auf russischer Seite bis zu 2000 Meter über dem Ulluchiran-Gletscher erhebt. Sie ist von gewaltigen Hängegletschern, Eisbalkonen und Wandabbrüchen gesäumt und wird von Gipfeln um die 5000 Meter gekrönt. Auf der georgischen Südseite brechen diese Berge fast ebenso hoch und steil ab. Die kaum weniger beeindruckende Wand hört hier auf den Namen “Khalde“.

Gergeti-Dreifaltigkeitskirche mit Blick auf den Kazbek
Die Gergeti-Dreifaltigkeitskirche mit Blick auf den berühmten Kazbek.

Mit dem Elbrus und der Bezengi-Mauer samt ihrer Umgebung stehen fast alle Fünftausender des Kaukasus relativ dicht beieinander. Nur noch einmal wird die magische Marke geknackt, nämlich durch den 120 Kilometer ost-südöstlich gelegenen Kazbek. Der Name dieses 5033 Meter hohen, inaktiven Stratovulkans dürfte wieder etwas geläufiger sein, da seine Silhouette hinter der Gergeti-Dreifaltigkeitskirche das wohl bekannteste Postkartenmotiv Georgiens ist. Ein weiterer Grund für die relative Bekanntheit dieses georgisch-russischen Grenzbergs ist die relativ einfache Erreichbarkeit seiner weißen Gipfelkuppe. Sie ermöglicht einer großen Zahl an Bergfreunden das Knacken der 5000er Marke.

Der Schönste von Allen

Als schönster Berg des Kaukasus gilt Vielen die steilen Doppelzacken der Ushba. Mit 4710 Metern ist sie deutlich niedriger, dafür aber umso schwieriger zu ersteigen. Sie gilt mit ihren schwindelerregenden Wandfluchten und dem eisgekrönten Doppelgipfel als unwiderstehliche Herausforderung für das alpine Spitzenpersonal.

(* Die Schreibweisen und Namen von Bergen und Orten sind im Kaukasus so verschieden wie die Sprachen und Schriften. Ich verwende hier die einfachsten latinisierten Versionen, ohne Gewähr für Genauigkeit oder Korrektheit.)

Geologie, Klima und Naturraum

Grob vereinfacht lässt sich die Entstehung des Kaukasus auf die Kollision der Arabischen Platte mit der Eurasischen Platte zurückführen. Sie komprimierte die Erdkruste und hob sie in die Höhe. Vor etwa 25 Millionen Jahren waren diese Prozesse der Wölbung, Faltung und Erosion am intensivsten. Weitere Resultate dieser Plattentektonik sind komplexe Verwerfungen und Spannungen, die für Erdbeben, Vulkanismus, heiße Quellen und große Vorkommen an Rohstoffen sorgen.

Klima

Im Westteil des Kaukasus hat das Schwarze Meer großen klimatischen Einfluss. Es beschert der Küstenregion ein subtropisches Klima und sorgt landeinwärts für hohe Niederschlagsmengen. Vor allem im Frühsommer steigen die feuchten Luftmassen den Süd-Südosthang des Großen Kaukasus empor und sorgen am Hauptkamm fast täglich für schwere Gewitter und Unwetter. Auf der Nord- und Ostseite des Gebirges ist das Klima trockener, aber auch kälter und kontinentaler. Für Bergsteiger ist das Wetter überall im Kaukasus eine ernstzunehmende Herausforderung, besonders an den großen Vier- und Fünftausendern.

Flora und Fauna

Das Ökosystem ist vielerorts intakt und bringt eine große, teils endemische Artenvielfalt hervor. Der Bergwald mit seinen Buchen, Eichen und Nadelbäumen ist oft undurchdringlich, die Wiesen werden im Sommer zu dichten, bunten, meterhohen Matten. Neben zahlreichen Vogelarten haben auch Gämsen, Wölfe und Braunbären hier ihren Lebensraum.

Der Kaukasus beherbergt eine atemberaubende Flora und Fauna

Kultur und Geschichte: die große Vielfalt

Mit seiner zentralen Lage ist der Kaukasus seit Jahrtausenden ein strategischer Knotenpunkt und eine Kreuzung großer Handelswege. Entsprechend viele Stämme, Ethnien und Völker zogen vorbei und siedelten sich an. Die verschiedenen kulturellen Einflüsse haben zu einer wechselvollen und hochkomplexen Geschichte geführt, in der Blütezeiten von Kriegen und Konflikten abgelöst wurden. Und nach wie vor sind hier so viele ethnische Gruppen mit verschiedenen Sprachen, Religionen, Traditionen und Lebensweisen versammelt wie nirgendwo sonst auf so engem Raum.

Eine Schattenseite dieses Mosaiks ist die Abweichung und teilweise Unvereinbarkeit von Gebietsansprüchen sowie politischen und religiösen Vorstellungen. Viele dieser Spannungen wurden durch das straffe Regime des Sowjetkommunismus lange Zeit “gedeckelt”. Nach dem Zerfall der Sowjetunion entluden sie sich in Form von Kriegen und Wildwest-Zuständen in den Nachfolgestaaten. Halbwegs geordnete und stabile Verhältnisse bildeten sich erst um die Jahrtausendwende wieder heraus.

Wie komme Ich in den Kaukasus?

Die meisten westlichen Bergfreunde werden ihre ersten Kaukasus-Schritte im derzeit recht geordneten und stabilen Georgien machen, da dieses kleine und vielfältige Land am einfachsten zu erreichen und bereisen ist. Für die Einreise genügt der Reisepass und Flüge sind nicht allzu teuer oder lang. Selbst die Überland-Anreise via Türkei ist mit Reisepass und etwas Abenteuerlust problemlos möglich.

Dass die russische Seite hier zu kurz kommt, liegt nicht nur an politischen Verhältnissen und begrenztem Platz in diesem Artikel, sondern auch an den höheren bürokratischen Hürden und dem geringeren Interesse westlicher Touristen. Eine Ausnahme ist nur die Besteigung des Elbrus, die von vielen “Seven-Summitern” in Angriff genommen wird. Einen guten Einblick in dieses Projekt gibt die Website Mountain-Level mit einem Reisebericht aus dem Sommer 2023.

Aserbaidschan als drittes Land mit Anteil am Großen Kaukasus muss ich hier mangels Kenntnissen und Platz im Artikel ganz außen vor lassen.

In Georgien wiederum ist die Region Swanetien/Svaneti das mit Abstand meistbesuchte Ziel für Kaukasus-Reisende. Mit ihren hohen Bergen und der zu ihren Füßen liegenden “Hauptstadt” Mestia ist sie das touristische Zentrum des Kaukasus.

Unterwegs vor Ort: das Marshrutka System

Nach Svaneti gelangt man in Marshrutkas genannten Kleinbussen, die von den Großstädten Tiflis und Zugdidi direkt nach Mestia fahren. Die “Fahrpläne” der Marshrutkas sind mündlich weitergegebene Abfahrtszeiten in den Städten. Diese verspäten sich wiederum, wenn der Kleinbus noch nicht voll ist und auf weitere mögliche Fahrgäste gewartet wird. Offizielle Haltestellen gibt es abgesehen von den Rastplätzen und Endstationen nicht. Angehalten wird auf Absprache und auf Zuwinken vom Straßenrand. Wenn das Fahrzeug allerdings voll ist, oder der Fahrer andere Gründe zum vorbeirauschen hat, bleibt man am Straßenrand stehen.

Wehrtürme Mestia Kaukasus
Ushguli mit seinen berühmten Wehrtürmen.

Von Mestia gelangt man für den zwischen den Anbietern abgesprochenen Preis von 40 Lari (GEL) in gut einer Stunde nach Ushguli. Das entsprach im Sommer 2024 etwa 13 € und ist ein sportlicher Preis für die 40 Kilometer. Dafür sind die hier eingesetzten Mitsubishi-Minivans komfortabler und weniger vollgestopft als die üblichen Marshrutkas.

Fun Fact: Die in Georgien sehr beliebten japanischen Importfahrzeuge haben das Lenkrad oftmals rechts, während der Verkehr in Georgien ebenfalls rechts fährt. Diese Kuriosität ist ein schönes Beispiel der georgischen Improvisationskunst, ebenso wie der Verzicht der sportlicheren Fahrer auf das Anschnallen.

Die nördlichen Seitentäler des Inguri Valley: Teuer aber schön

Wirklich aufwändig oder teuer wird das Reisen, wenn man Wanderungen oder Trekkings in den sehr attraktiven nördlichen Seitentälern des Inguri Valley (= “Mestia-Haupttal”) unternehmen will. So schlagen beispielsweise die 25 Kilometer von Mestia nach Mazeri im benachbarten Dolra Valley mit umgerechnet 35 € für die einfache Fahrt zu Buche. Die tollen Landschaften und Tourenmöglichkeiten dort haben also ihren Preis. Ähnliches gilt für das weiter entfernte und ähnlich attraktive Nakra Valley. Abgesehen davon, dass es mit den meisten Fahrern und Ticketverkäufern schwierig bis unmöglich ist, ungewohnte Fahrtziele und “extravagante” Wünsche auf Englisch zu kommunizieren (man muss sich im Klaren sein, dass besonders bei älteren Menschen kein fortgeschrittenes Englisch erwartet werden kann, da das hier eine wirklich fremde Sprache mit einer fremden Schrift ist).

Das Reisen per Anhalter funktionierte in meinem Falle sogar einmal von allein, ohne den Daumen hochzuhalten. Der freundliche Bauarbeiter im japanischen Mini-Laster hielt von sich aus an und ersparte mir so fünf Kilometer auf staubiger Piste.

Unterkünfte in Swanetien

Weitgehend wettgemacht werden die überzogenen Nahverkehrspreise durch die vielen günstigen Unterkünfte. Bis Ende Juli bekommt man mit etwas Glück für umgerechnet 10€ ein sauberes Doppelzimmer in einer gemütlichen Herberge. Die billigsten Schlafplätze im Hostel-Dorm sind ab ca. 6€ erhältlich. Camping lohnt sich da finanziell kaum. Viele Unterkünfte lassen sich via booking.com buchen. Im hauptsächlich von Tagestouristen besuchten Ushguli und den kleineren Dörfern findet man ein Zimmer am besten durch Herumfragen vor Ort. Ab Anfang August wird es in den swanetischen Touristenorten voll, was das Angebot einschränkt, und die Preise erhöht.

Essen und Trinken

In Mestia und Ushguli finden sich zahlreiche Restaurants und Imbisse, die gut und preisgünstig sind (Hauptgang und Getränk ab 5-10 €). Die Supermärkte und Läden sind dagegen überraschend teuer und von Sortiment und Packungsgrößen her nicht ganz einfach auf Rucksackproviant “umzubauen”. Es schadet deshalb nicht, Trekkingnahrung und Fertigmahlzeiten von Zuhause mitzubringen.

Svaneti-Highlights und Tourenvorschläge

Wer klischeehafte Tourismusvergleiche mag, könnte Mestia als “Chamonix des Kaukasus” bezeichnen. Allerdings ist Mestia die deutlich weniger geputzte und aufgeräumte Variante. Sehenswert ist das Städtchen aber allemal, allein schon aufgrund seiner einmaligen “Skyline” aus bis zu 25 Meter hohen Wehrtürmen. Diese mehrstöckigen Steintürme dienten den Familienclans unter anderem als Rückzugsort, wenn mal wieder ein Überfall, eine Blutfehde oder eine Invasion anstand. Als Speicher für Getreide und Wertgegenstände werden die Türme bis heute genutzt.

Die folgenden Tourenvorschläge sind eine persönliche Auswahl an weniger bekannten Touren, die darauf abzielen, die großen Berge und die Szenerie möglichst gut und aus der Nähe zu sehen. Für die populären Touren gibt es anderweitig reichlich Informationen, die auf der Seite Caucasus-trekking.com wohl am besten aufbereitet sind. Sie dürfte die informativste (allerdings auf Georgien beschränkte) Kaukasus-Webseite für westliche Leser sein.

Trekkingtouren um Mestia

Der bekannteste und meistbegangene Trek im Kaukasus ist die viertägige Route von Mestia nach Ushguli, die dank der Dörfer und Herbergen am Weg ohne Zelt und Campingausrüstung unternommen werden kann. Im August kann es hier ziemlich voll werden.

Diese Route kann in die westliche Gegenrichtung verlängert werden und hört dann auf den Namen Mestia-Nakra-Trek. Sie führt in den Hauptort des sehr ursprünglichen Nakra Valley.

Berg- und Wandertouren um Mestia

Zoruldi Ridge

Koruldi Lakes
Einer der spiegelglatten Koruldi-Seen bei bestem Wetter und herrlicher Aussicht

Dieser aussichtsreiche Bergkamm südlich oberhalb von Mestia ist mit dem Hatsvali-Sessellift schnell erreichbar und deshalb ideal für den ersten Tag nach der Anreise. Die idyllische Wald- und Wiesenlandschaft bietet einen perfekten Überblick über die Region und den Kaukasus-Hauptkamm.

Koruldi Lakes und Koruldi Ridge

Die Koruldi Lakes sind eine Gruppe kleiner Bergseen auf einem kleinen Plateau in 2700 m Höhe. Der Wanderweg dorthin ist im oberen Teil leider eine staubige Piste, auf der die Geländewagen und Minivans bis an die Seen fahren. Die Tour hierhin wird auf der Hauptstraße von Mestia überall angeboten.

Blick auf den Ushba im Kaukasus
Atemberaubender Blick auf die Ushba

Trotz des forcierten Tourismus lohnt sich der Ort, vor allem wenn man hier eine Nacht campiert. In der abendlichen Windstille werden die Wasserflächen zu Spiegeln, die die grandiose Bergwelt reflektieren. Noch besser wird das Ganze, wenn man anderntags der Schotterpiste weiter hinauf bis zu ihrem Ende auf etwa 3100 Metern Höhe folgt. Dort führen links mehrere Pfadspuren hoch zum Koruldi-Grat, der von einem Gipfelkreuz gekrönt ist. Dieser Grat eröffnet einen “Million-Dollar-View” auf die himmelsstrebende Ushba (4710 m) und die umgebende Bergwildnis aus Gletschern und tiefen Abgründen. Allerdings ist die Sache etwas “tricky“, denn das Gelände wird nach oben steil und absturzgefährdet. Wer möglichst sicher gehen will, folgt nicht den Spuren, sondern nimmt den Umweg links in eine Senke zu einer mühsameren, aber ungefährlicheren Geröllhalde, die direkt unterhalb des Gipfelkreuzes auf den Grat führt. Diesen alternativen Wegverlauf habe ich hier auf Outdooractive als Track (Route ist nur nach Anmeldung einsehbar) eingezeichnet.

Chkhuti Ridge

Diese abwechslungs- und aussichtsreiche Wanderung führt einen elegant geschwungenen Kamm und Grat hinauf und lässt sich dementsprechend nach Belieben abkürzen. Sie folgt zunächst dem Mestia-Ushguli-Trek und ist entsprechend ausgeschildert. Beim ersten Abzweig folgt man der großen Lichtung zu ihrem Ende und stößt rechts haltend auf die nächste große und nebenbei gesagt großartig schöne Lichtung. Man kann an ihrem Rand zu dem kleinen Holzkirchlein gehen, um das Ambiente zu genießen, doch der eigentliche Weg führt vor der zweiten Lichtung links sehr unauffällig hinein in den Wald.

Dort geht es dann bald knackig steil bergan, bis sich der Wald lichtet und man im freien Alpingelände des endlos höher steigenden Grates angelangt. Der Blick hinüber zur makellosen Eispyramide des Tetnuldi (4850 m) ist fantastisch, wird mittags aber meist von Wolken verhüllt. Umso mehr Grund, dem Grat immer höher zu folgen. Klettergewandte Alpinwanderer nehmen dabei sogar den Gipfel des 3702 m hohen Kakhiani in Angriff.

Berg- und Wandertouren um Ushguli

Ushguli mit Blick auf den Shkhara-Gletscher
Ushguli mit der Shkhara-Südwand im Hintergrund

Ushguli ist das mit 2100 Metern höchstgelegene Dorf Georgiens. Es zeichnet sich ebenfalls durch eine “Skyline” aus Wehrtürmen aus, die zusammen mit der dahinter aufragenden Shkhara-Südwand (5193 m, s.o.) eine wahrhaft archaische Szenerie abgibt. Zu Füßen der Shkhara befindet sich das Tor des Shkhara-Gletschers, das viele Touristen anzieht. Sie gelangen größtenteils per Mitsubishi Minivan oder zu Pferde an den Talschluss. Dabei teilen sie sich knapp die Hälfte des Wegs mit den viel Staub aufwirbelnden Betonmischer-LKWs, die im Minutentakt das ebenfalls im Tal gelegene Kieswerk verlassen.

Das Kieswerk ändert aber nichts daran, dass folgende zwei Vorschläge beide sehr lange, knackige und einsame Paradebergtouren sind. Beide sind allerdings auch abkürzbar, und dann immer noch sehr lohnend. Oder sie lassen sich zu Zweitagestouren ausbauen, und werden dann mit einer Zeltübernachtung am Bergsee, auf dem Grat oder gar auf dem Gipfel zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Chubedishi Kamm (3153 m): Aussicht und Gipfel ohne Ende

Schaut man von Ushguli ins Inguri Tal, erheben sich rechts die grünen Gras- und Geröllgipfel der Chubedishi Ridge. Diesem Gratkamm folgen wir auf dieser Tour. Dabei können wir die Länge beliebig gestalten. Die meisten Wanderer gehen bis zum ersten Gipfel und kehren wieder zurück. Das reicht auch schon, um ein fantastisches Panorama aus fast 3000 m Höhe zu genießen. Wer nun eine epische Höhenreise antreten will, folgt weiter dem Kamm mit seiner Perlenkette aus 3000er Gipfeln. Erst wenn die riesige Südwand der Shkhara und ihre 4000er-Trabanten schon zum Greifen nah sind, wird der Grat nach links unten verlassen. Wir erreichen so einen kleinen Bergsee (mit guten Zeltmöglichkeiten), und erwischen mit etwas Glück eine Spiegelung der Shkhara Südwand auf der Wasseroberfläche. Unterhalb des Sees verlassen wir die Bergeinsamkeit und erreichen den Tourismustrubel des Inguri-Tals.

Den Track für diese Tour findest du hier auf Outdooractive.

Die gewaltige Südwand der Shkhara und ihre 4000er-Leibwächter zeigen sich bei dieser Wanderung in ihrer ganzen Pracht

Karetta Grat und Gipfel (3524 m): Loge der 5000er

Hier handelt sich zwar um einen noch härteren Brocken als die “Chubedishi-Integrale”, doch ich garantiere eine Traumtour, die bei brauchbarem Wetter selbst die Alles-schon-gesehen-Haber begeistern wird. Aus dem Inguri-Tal geht es vor dem Kieswerk links ab und in ein Seitental hinein, das zum Lagem Pass führt. Der Weg ist nach oben hin schmaler und schlechter sichtbar. Unterhalb des Passes ist er steil und stellenweise weggespült. Vom Lagem Pass folgt man weglos dem Grat, quert den Karette-Pass und kommt dabei den Eisriesen immer näher. In weiter Ferne blitzt der Elbrus hinter den Grenzbergen hervor. Angekommen auf dem Karettagipfel wird man von den gegenüber aufgereihten 5000ern der Khalde-Wall schier erschlagen.

Diese Tour ist auch mit dem Lagem Pass als Endpunkt sehr lohnend. Bei einer Zeltübernachtung auf dem Grat oder gar Gipfel muss das benötigte Wasser von den Bächen unterhalb des Lagem Passes entnommen oder aus den Schneefeldern geschmolzen werden. Für den Rückweg sollte man die gleiche Route nehmen, denn die auf Karten und Apps eingezeichneten Alternativwege verlieren sich in mühsamem Gelände und weglosem Dickicht.

Den Track für diese Tour habe ich auf Outdooractive erstellt. (Tour ist nur nach Anmeldung einsehbar)

Einkehrtipp

Einen perfekten Abschluss der Wandertouren um Ushguli bietet das Cafe Lemi an der Piste, die ins Inguri-Tal führt. Das hausgemachte Essen schmeckt hervorragend und ist nicht teuer, der Umgangston ist freundlich (was in Svaneti leider nicht immer selbstverständlich ist).

Fun Fact: Bei Bergtouren in Georgien wirst du häufig von Hunden begleitet, die aus dem Nichts auftauchen und früher oder später dort wieder verschwinden. Im angenehmsten Fall sind sie klein und niedlich, sie können aber auch groß und kräftig sein. Am besten betrachtest du sie als Beschützer, die Bären und Wölfe auf Abstand halten 😉

Weitere wilde Bergregionen, die immer wieder lobend erwähnt werden, sind Racha und Khevsureti, beide östlich von Svaneti.

Was kann man in Svaneti noch unternehmen?

Das Outdoor-Programm dreht sich hauptsächlich um Wanderungen und Trekkingtouren. Das sonstige Angebot beschränkt sich auf Ausflüge im Geländewagen und viel Lärm machen mit Quads oder Motorrädern. Abenteuersportarten wie Rafting werden vereinzelt, meist von gehobenen Hotels angeboten.

Khergiani-Museum Kaukasus
Künstlerische Kostprobe aus dem Khergiani-Museum

Eine Top-Empfehlung für Schlechtwetter- oder Pausentage ist das Khergiani-Museum. Es findet sich am hinteren Ortsende von Mestia, in einem alten Steingebäude zu Füßen eines Wehrturms, denn man besteigen kann. Gewidmet ist es dem swanetischen Bergsteiger Chumlian Minan “Mikhail” Khergiani, der 1932 in diesem Haus geboren wurde. Khergiani ist nicht nur wegen seines unglaublichen alpinistischen Könnens eine Legende, sondern auch, weil er als Bergretter viele Menschen vor dem Tod bewahrte.

Wer mehr Abstand zu den Bergen braucht, kann in Mestia zwei ethnografische Museen besuchen oder “Dede” schauen, den einzigen je in Svaneti gedrehten Kinofilm. Im Sommer finden auch Konzerte, Tanzveranstaltungen und Filmfeste statt. Ansonsten ist das kulturelle Angebot auf den Besuch von Wehrtürmen und kleinen Kirchen beschränkt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kaukasus für entdeckungsfreudige Bergfreunde eine wahre Schatzkammer ist, die sich am einfachsten mit einem ersten Besuch in der georgischen Region Swanetien öffnen lässt.

Linktipp: Svanalp.com, gut gestaltete Homepage eines swanetischen Bergsteigers und Guides, der Wanderungen und Gipfeltouren (u.a. Kazbek) anbietet. Der Fokus liegt hier auf den Bergen Svanetis und ist etwas “alpiner” als auf Caucasus-trekking.

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Bergfreund Stephan

“Flat is boring”, dachte ich mir als Kind des Flachlands immer. Bergsport war die Lösung des Problems. Aber nicht aller Probleme, wie ich beim Durchwursteln der Disziplinen von Bouldern bis Hochtouren herausfand. “Egal”, dachte ich mir und fühle mich heute bei alpinen Touren mit leichtem Gepäck sauwohl.

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