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Berge und Stürme – Mit Vaude nach Patagonien

Inhaltsverzeichnis

Cerro Fitz Roy und Aguja Poincenot
Cerro Fitz Roy und Aguja Poincenot

Vom 5. November bis 4. Dezember 2011 war Fritz Miller, Mitglied des Bergfreunde.de-ProTeams, im wilden Patagonien unterwegs. Hier sein Bericht über mieses Wetter am Fitz Roy und andere Abenteuer.

Prolog

Die patagonischen Gipfel, allen voran Cerro Torre und Cerro Fitz Roy, üben eine gewaltige Anziehungskraft auf Bergsteiger aus der ganzen Welt aus. Viele kommen immer wieder – trotz oder gerade wegen aller Widrigkeiten, Mühen und Gefahren. Das lässt sich nur verstehen, wenn man vor Ort gewesen ist. Am Ende der Welt, in einer anderen Welt.

Mit Vaude nach Patagonien

Korbinian Schmidtner und ich schlossen uns einer von Vaude organisierten Tour an. Zur Gruppe gehörten drei Seilschaften, ein Mitarbeiter und ein Team-Mitglied von Vaude sowie ein zweiköpfiges Filmteam. Vor Ort waren wir – genau wie die anderen Seilschaften – absolut eigenständig unterwegs. Aus den Aufnahmen des Filmteams und unseren eigenen soll ein kurzer Film über die gesamte Aktion entstehen.

Patagonien, eine große Gruppe und vier Wochen Zeit – es gäbe so viel Spannendes zu berichten und es fällt mir schwer, mich zu beschränken. Das Wichtigste vorab: Alle sind ohne ernste Schäden zurückgekehrt, wir sind immer gut miteinander ausgekommen und die Unternehmung war richtig cool.

Plan B – Supercanaleta

Fritz und Korinian in El Chalten. Foto: Hannes Mair
Fritz und Korinian in El Chalten. Foto: Hannes Mair

El Chalten, 20. November 2011. Laura, Thomas, Korbinian und ich rumpeln in einem alten Taxi über die Schotterpiste, die entlang des Rio de las Vueltas nach Norden führt. An der Mündung des Rio Electrico steigen wir aus und machen uns auf den Weg zur Westseite des Cerro Fitz Roy (3405 m). Es ist trüb und regnet etwas, weiter oben schneit es. Aber die Wetterprognose ist gut: Es soll immer besser werden und dann für zwei Tage ganz passabel und schwachwindig bleiben. Es könnte klappen mit der „Supercanaleta“.

Die Route passt ganz gut zu den aktuell herrschenden Verhältnissen – recht viel Schnee und Eis in den Wänden, eher kühl –, da man ohnehin das meiste mit Steigeisen klettern muss. Und die Schwierigkeiten sind moderat: überwiegend leichte Eiskletterei, ein paar Mixedlängen, ca. 15 Seillängen Fels bis zum oberen 6. Grad und ein einfacher Gipfelaufbau. Unsere Euphorie hält sich während des Zustiegs dennoch in Grenzen. Korbinian und ich sind zuvor zweimal am Cerro Torre gescheitert. Wir wissen, dass man hier nichts geschenkt bekommt. Und, dass ein patagonischer Gipfel der falsche Ort ist, um vom Sturm überrascht zu werden. Wir überqueren den Paso del Cuadrado und tauchen richtig ins Sauwetter ein. Ohne Sicht geht es auf den Fitz-Roy-Gletscher hinunter. Anhand des Kartenbildes – es könnte grober kaum sein – tasten wir uns weiter Richtung Fitz Roy. Nach gut sechs Stunden Zustieg vermuten wir den Einstieg der Supercanaleta über uns. Es windet stark. Hinter einem Felsblock finden wir einen geschützten Platz für ein kleines Zelt, in dem wir zu viert nebeneinander sitzen können. Erst einmal abwarten.

Laura, Thomas und Fritz unterhalb der Supercanaleta, Fitz Roy.
Laura, Thomas und Fritz unterhalb der Supercanaleta, Fitz Roy.

Als es kurz aufreißt wissen wir, dass wir richtig sind. Am Abend bessert sich das Wetter. Wir schaufeln einen Platz für das zweite Zelt aus und beginnen mit dem Aufbauen. Und schon frischt der kalte Wind wieder auf und reißt uns das Zelt einfach aus den Händen, ein paar Zeltschnüre reißen ab. Das Zelt ist weg, genau wie Thomas‘ Eisgeräte, die als Verankerung gedient haben. Für Thomas und Laura ist die Tour gelaufen. Es wird eine kuschlige Nacht zu viert im Zelt. Draußen schneit und windet es weiter.

Freie Sicht

Fritz im Verhauer am Fitz Roy
Fritz im Verhauer am Fitz Roy

Ein neuer Tag bricht an und plötzlich ragt der Berg direkt vor uns in den Himmel – riesig aber nicht unnahbar. Es ist klar, kalt und windstill. Kommt das Schönwetterfenster jetzt, verspätet? Wir haben keine Möglichkeit, einen aktuellen Wetterbericht einzuholen und starten auf gut Glück. Im Grund des gigantischen Couloirs hat sich viel Schnee gesammelt, den wir jetzt durchpflügen müssen.

Passagen im Blankeis sind eine willkommene Abwechslung. Alles in allem sind die ersten 1000 Hm der Supercanaleta aber recht einfach und wir gewinnen schnell an Höhe. Dies ändert sich, als wir das Couloir zu früh verlassen. Unsere Vorstellungen vom Routenverlauf sind so falsch wie unsere Informationen, unter anderem ein Wandbild mit falsch nummerierten Routen. Im schwierigen Gelände verlieren wir viel Zeit. Abseilend und querend kommen wir schließlich wieder in die Spur. Mindestens fünf Stunden hat uns der Verhauer gekostet. Der Zeitplan ist endgültig dahin, das Wetter aber gut. Wir steigen weiter. Mit dem letzten Licht erreichen wir den Felsteil der Route. Durch die Nacht klettern wir Seillänge um Seillänge höher. Mit Steigeisen, da wir immer wieder auf Eis und Schnee stoßen. Die Frontalzacken schlagen Funken, wenn es über glatte Granitplatten geht. In den frühen Morgenstunden erreichen wir den Gipfelgrat mit seinen unübersichtlichen Grattürmen.

Wir sehen die Lichter von El Chalten, im Ort sieht man vielleicht unsere. Drei Längen klettern wir noch und pausieren dann eine gute Stunde im Biwaksack. Als wir im Morgengrauen aufbrechen, schneit es bereits leicht. Laut Wetterbericht sollte es gut sein, stattdessen sammelt sich der Schnee in den Felsen. Wir geben Gas und stehen schließlich um sieben Uhr (ungefähr) auf dem Gipfel des Fitz Roy. Ohne jegliche Sicht, dafür aber mit Funkverbindung nach El Chalten. „Schaut, dass ihr runterkommt, es wird nicht besser“, sagt Thomas unten. Sind wir zu weit gegangen?

El Chalten. Foto: Hannes Mair
El Chalten. Foto: Hannes Mair

Schnell weg hier

Der Wind bläst uns den Schnee um die Ohren, als wir uns ans Abseilen über die Direktvariante der Supercanaleta machen. Korbinian lässt mich ab, ich suche oder baue eine Abseilstelle und ziehe das restliche Seil zu mir runter. Dann folgt er. So wird unser Seil nicht verweht. Wir verständigen uns mit Seilmorsezeichen und Handzeichen. Damit sich das Seil auch beim Abziehen nicht hinter einer der viele Felsschuppen verklemmt, müssen wir unsere Abseillängen immer dem Gelände anpassen. So erreichen wir über die beinahe senkrechte Headwall das weniger steile Eisfeld am oberen Ende des Couloirs. Glücklicherweise sind wir hier weniger dem Wind ausgesetzt und der Schnee kommt nur noch von oben, aber wie! Je tiefer wir im Couloir kommen, desto mehr Schnee rutscht von oben nach. Zwischenzeitlich klettern wir ab, um schneller zu sein. Bei den aktuellen Bedingungen und mit vollkommen stumpfer Eisaurüstung lassen wir es aber bald wieder sein. Nach unzähligen weiteren Abseillängen erreichen wir schließlich das Ende der riesigen Schlucht und steigen vollends ab. Es ist ungefähr drei Uhr nachmittags, als Korbinian und ich zurück zum Zelt kommen. Es schneit nur noch leicht, windet praktisch nicht und ist relativ warm. Wir lösen unser Lager auf. Alles ist nass, die Rucksäcke sind wieder einmal viel zu schwer. Aber egal, wir gehen einfach zu. Um 23 Uhr sind wir zurück in El Chalten. Die körperlichen Schäden halten sich in Grenzen, Material haben wir für ungefähr 2000 Euro verheizt, aber das interessiert uns nicht. Hauptsache heil zurück. Die anderen empfangen uns freudig. Yeah, geschafft.

Nicht nur große Berge

Fritz beim Highlinen nahe El Chalten. Foto: Hannes Mair
Fritz beim Highlinen nahe El Chalten. Foto: Hannes Mair

Damit kein falscher Eindruck entsteht: So ging es nicht jeden Tag zu. Wir waren nicht nur an Torre, Fitz Roy und Poincenot (hier übrigens ebenfalls erfolgreich) unterwegs, sondern auch beim Sportklettern, Bouldern, Slacklinen, Highlinen, Fischen, und, und, und.

In El Chalten ist das Wetter meist ganz passabel, auch wenn einem der Wind schon mal das Crashpad unter dem Hintern wegfegt. Und sollte doch mal gar nichts gehen: Im Ort gibt es genug Bars und Restaurants, die man als Alpinist bei jedem Wetter erreicht.

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Bergfreund Fritz

Zum Klettern und Bergsteigen kam ich, weil etwas wie eine große Faszination für die steile Welt in mir verankert ist (und durch ein paar Zufälle). Sicher ist es zu viel zu früh für ein Fazit. Aber wenn ich auf meine mittlerweile rund 25 Kletterjahre zurückblicke, denke ich, dass ich den Bergen und Wänden viel zu verdanken habe.

1 Kommentar zum Artikel

  1. [...] eben (fast) alles passen”Die Drei auf der Aguja Standhardt. Arne ist vom Eisschlag gezeichnet.Wie im letzten Winter machte sich Bergfreunde Pro Team Mitglied Fritz Miller auch in dieser Saison auf den Weg nach [...]

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