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Nach einer Verletzung wieder in den Sport starten

Inhaltsverzeichnis

Wie man nach einem Kletterunfall wieder auf die Beine kommt und wieder neuen Mut fürs Klettern findet, beschreibe ich dir anhand meines eigenen Kletterunfalls vor einigen Jahren…

Hoch hinaus oder die Kunst des Sturzes

Es sind die Sekunden kurz vor dem Aufprall, in denen Du realisierst, was passieren wird. Die Bilder bleiben in deinem Kopf, und kehren immer wieder zurück. Sie sind wie eine Mahnung, die immer bleibt, die immer wieder sagt, was passieren kann und was es zu vermeiden gilt. Den Moment, in dem Du bemerkst, was passieren wird, versuchst du so stark festzuhalten, dass Du am Ende des Aufpralls noch ansprechbar bist.

Es sind die entscheidenden Sekunden.

Der Curbar Edge im Peak District.
Der Curbar Edge im Peak District. (Foto: Tom Marshall)

Ich finde mich in einer perfekten Seitenlage wieder. Ich bin beeindruckt. Selbst meine Hände bilden ein Schutzschild zwischen Kopf und Boden. Schnell denke ich, schnell Hilfe holen – bevor ich das Bewusstsein verliere. Ein Satz, der klar und deutlich für sich steht: „Hol’ einen Krankenwagen, der Fuß ist komplett kaputt“. Zehn Sekunden später liege ich alleine in einer großen Kletter- und Boulderhalle. Mein Blick folgt meiner Kletterpartnerin, die aus der Halle rennt. Ich versuche bewusst meinen Puls zu halten und beruhige mich mit dem Wissen, dass es nicht mein erster Sturz ist, und ich weiß, in welcher Reihenfolge die Schockreaktionen eintreten. Nur das Bewusstsein muss bleiben, sonst wird es im Krankenhaus zu lange dauern, denke ich und konzentriere mich auf meine Atmung. Die Schmerzen kommen im Hirn an und lassen mich schaudern. Ich versuche sie in den Hintergrund zu drängen.

Es ist Pfingstsamstag und wir sind zu zweit in der Halle. Eine große Halle nur zu zweit zu nutzen – das hat etwas sehr Schönes und irgendwie Gruseliges zugleich. – Das Training für eine Nepal-Exkursion für Anfang 2020 haben wir gerade begonnen. In zwei Monaten soll es ins britische Klettermekka, den Peak District gehen. Der Peak District bietet schöne Gritstone-Klippen, über 2000 Routen und Routenlängen von bis zu einem Kilometer.

Eine atemberaubende Landschaft, Berge und English Tea?!

„Ich kämpfe“, sage ich so leise, dass ich es selbst kaum hören kann. Ich blicke in das entsetzte Gesicht meiner Kletterpartnerin, die soeben meine Körperfarbe als nicht mehr existent beschrieben hat. „Sogar deine Lippen haben keine Farbe mehr.“ Ich versuche zu lächeln und denke mir, es gibt keine bessere Begleitung ins Krankenhaus. Eine Pharmazeutin, die klinische Studien betreut, wird für mich sprechen, falls ich es nicht mehr kann.

Es vergehen Stunden an verschiedensten Orten der Uniklinik Bonn. Das Gefühl für Zeit und Raum sind gebunden an einen Mikrokosmos, der an diesem Pfingstsamstag keinen Boulderunfall mehr gebraucht hätte. Ein junger Mann tanzt fröhlich mit einer Krücke in der Radiologie und ich wünsche mir nichts mehr als mit ihm tauschen zu können.

Das Zögern der Ärztin und des dazu gerufenen Facharztes strengt mich unglaublich an und ich wechsle in den für mich typischen „Schweigemodus“ und lächle nur noch.

Stunden nach meinem Kletterunfall

Zehn Stunden nach meinem Kletterunfall gibt es endlich eine vorläufige Diagnose, deren Schwere und Komplexität ich erst in den darauffolgenden Wochen und Monaten verstehen werde:

Knöcherner Ausriss aus dem Sprungbein, Absprengung des Deltabandkomplexes – Bänderdreieck am Innenknöchel, teilweise gerissene Bänder des Außenknöchels, Knochenmarködeme und Hämatome.

Für eine Person, die gerne unabhängig und sehr aktiv ist, bedeuten diese Monate auch, zu erfahren, wie es sich anfühlt, nicht die starke Frau sein zu können und zu lernen, dass Schwäche nichts Negatives ist, und vor allem auch positive Seiten zu bieten hat.

Dass ich jetzt für das Basislager eine Reihe über komplexe Fußverletzungen im Kletter-/ Bouldersport, Behandlungsmethoden und Heilungsprozesse sowie ein Doppelinterview mit meinem behandelnden Unfallchirurgen veröffentlichen werde, habe ich letztlich meiner Verzweiflung nach dem Kletterunfall zu verdanken.

DER FUSS, EINE GENIALE KONSTRUKTION

Das leise Aufkommen der Füße, der fließende Übergang zum erneuten Sprung und das Lösen vom Boden lassen das Gefühl von wiederkehrender Leichtigkeit entstehen. Der Fuß ist eine geniale Konstruktion. Allein die Abläufe von Sprüngen begeistern. 

26 Knochen, 33 Gelenke, 20 Muskeln, starke Sehnen und über 100 Bänder sind die Voraussetzung reibungsloser Bewegungen und einen festen Stand auf unseren Füßen. Um kontrollierte Abläufe zu ermöglichen, versorgen sehr viele Nerven unsere Füße. Durch unsere Nerven können wir auch die kleinsten Veränderungen im und um den Fuß wahrnehmen. 

In der natürlichen Bewegung übernehmen unsere Füße das Körpergewicht und verteilen es auf drei Punkte: das Fersenbein, den inneren und äußeren Fußballen. Unser Fersenbein trägt mit der größten Knochenstärke dabei die meiste Last. Sprungbein, Fußwurzelknochen, Mittelfußknochen und Zehen sind in erster Linie für unsere Fortbewegung zuständig. 

IN BEZUG ZUM KLETTERSPORT LÄSST SICH DER UMKEHRSCHLUSS ZIEHEN. 

Schon bei der Auswahl des Schuhs gibt es so einiges zu beachten. Professionelle Beratung ist hier goldwert!

Die Form der Kletterschuhe bedingt eine andere Kräfteverteilung. Eine entscheidende Rolle spielen vor allem Sprungbein, Fußwurzel-, Mittelfußknochen und Zehen, um eine Route erfolgreich zu klettern. Die Kletterschuhe konzentrieren den Druck bzw. das Gewicht hauptsächlich auf die großen Zehen. Das soll ermöglichen, mit mehr Präzision zu klettern. Hier könnte von einer Umkehr der Kräfte gesprochen werden.

Nicht mehr das Fersenbein trägt das meiste Gewicht, sondern der fragile Teil des Fußes. Hinzukommen Vorspannung und Beugung (Downturn) der Schuhe, die den Füßen und vor allem Sehnen und Bändern stark zusetzen können. 

So kann schon die Wahl der Kletterschuhe zu Einschränkungen und Verletzungen am Fuß führen. Wichtig ist hier die professionelle Beratung. Vor allem beim regelmäßigen Sportklettern sollten die Schuhe eine ideale Passform haben. Die häufigsten Verletzungen durch unzureichendes Wissen bzw. unbedachtes Nutzen der Schuhe sind zum Beispiel Quetschungen, Nagelfrakturen oder die Entwicklung eines Hallux Valgus. 

DURCH DIE GESTALTUNG DER KLETTERSCHUHE SIND FUSSVERLETZUNGEN BEI EINEM AUFPRALL, SCHON AUS GERINGER HÖHE, SEHR HÄUFIG.

Je nach Art des Aufpralls beim Kletterunfall der Füße auf den Boden können verschiedene Brüche entstehen. Mögliche Frakturen sind solche des oberen Sprunggelenks, vor allem des Sprungbeins; Brüche in und am Sprunggelenk schließen, neben dem Sprungbein, Waden- und Schienbein mit ein. Je nach Sturzverlauf kann auch das Fersenbein betroffen sein. Die Krafteinwirkung (bedingt durch die Sturzhöhe) ist neben der Art des Aufpralls mitbestimmend für die Form der Fraktur.

Talusfrakturen

Das Sprungbein (Talus) ist der stabilste Knochen des Fußes mit der Besonderheit, dass durch die geringe Durchblutung der Heilungsprozess sehr langwierig sein kann. Talusfrakturen sind im Klettersport sehr häufig. Ausschlaggebend ist hier, wie die Füße aufkommen – sind sie angezogen oder nach vorn gestreckt, in welchem Winkel stehen sie zum Unterschenkel? Ähnliche Verletzungen des Sprungbeins treten häufig bei Motorradunfällen oder anderen Stürzen aus der Höhe auf. Eine Fersenbeinfraktur hingegen kann auch schon durch einen Sturz ins Seil mit schwungvollem Wandkontakt verursacht werden. 

Bei Verletzungen häufig betroffen: Sprungbein, Fersenbein und Sprunggelenk. Grafik: Anna Poth

In jedem Fall ziehen Brüche der Knochen auch starke Verletzungen der Bänder, Sehnen, Muskeln und Nerven mit sich. Je nach Verletzung und Schädigung des Fußes sind lange Heilungsprozesse zu erwarten. Leichtere Verletzungen heilen in der Regel in einer Zeitspanne von bis zu drei Monaten ab. Schwerere hingegen fordern von Klettersportlerinnen und -sportlern ein Höchstmaß an Geduld und Eigeninitiative, da sie bis zu zwei Jahre und länger andauern können. 

„Allen diesen schweren Verletzungen des Sprunggelenkes und des Fußes gemeinsam ist das Behandlungsziel – eine stabile, achsengerechte Heilung zu erzielen, mit guter Funktion der Gelenke, und die Vermeidung von Folgeschäden (vermehrte Abnützung, Arthrose der beteiligten Gelenke). Besonders wichtig bei diesen Verletzungen ist, die mitverletzten nicht-knöchernen Strukturen wie Haut, Muskulatur und Bandapparat zu beachten und den Operationszeitpunkt gut zu wählen.“ Dr. med. Konstantin Genelin, Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Innsbruck . 

Mein Fall

In meinem Fall lag eine Fraktur des Sprungbeins vor, Abriss einen Knochenfragments und Absprengungen der Bänder. Die Verletzungen des Fußes wurden nach einiger Zeit als schwerwiegend eingeordnet. Ich schreibe den Artikel jetzt sechs Monate nach meinem Sturz aus ca. 2,3 m Höhe. Aktuell gehe ich in der Ebene und habe noch Schwellungen und Schmerzen um den Talus. Die Stelle der Fraktur heilt immer noch. Eine ständige Begleitung nach solchen Verletzungen sind Schmerzen. Je nach Stärke der Verletzung entstehen auch Schmerzen in anderen Bereichen, wie Bein, Knie und Hüfte. Eine Herleitung der Schmerzen sowie ein Verständnis für die verschiedenen Intensitäten half mir, sie auszuhalten und verbesserte den Umgang mit der Situation. 

Ein einfacher Erklärungsversuch: Insgesamt verfügen unsere Knochen über Nerven, Nervenfasern, Blutgefäße, Knochenmark, verschiedene Knochenstrukturen, Knochenzellen, Fettgewebe und blutbildendes Gewebe. Im Knochen sorgen Zellen für die Wiederherstellung.

Trabekelfrakturen

Neues Knochenmaterial wird durch Osteoblasten gebildet. Die Osteoklasten hingegen fördern überschüssiges Gewebe ab. Beziehen wir uns wieder auf die Fußverletzung, haben wir es mit einer Trabekelfraktur zu tun. Diese Knochenstruktur ist komplexer und hat eine längere Heilungsdauer. Knochentrabekel sind Knochenbälkchen, die im Inneren des Knochens eine schwammartige Struktur (Spongiosa) bilden. Entlang der Belastungslinien des Körpers verfügen unsere Knochen über das besonders flexible und leichte Knochengewebe. 

Die hohe Sensibilität des Fußes trägt nicht gerade zur Schmerzlinderung bei, ermöglicht aber ein umfassendes und treffendes Bild über den Heilungsprozess. 

Mehrere Zweige unserer Hauptnerven laufen in unseren Füßen aus. Die Schädigung der Nerven und zusätzliche Schwellungen führten in meinem Fall dazu, dass ich meine Zehen für ca. sechs Wochen nicht mehr ansteuern konnte. Auch strahlen die Schmerzen der Nerven bis ins Knie und in die Hüfte.

Bei Schädigungen der Bänder, Sehnen und Muskeln verläuft es ähnlich. Verletzungen der Bänder sind an Blutergüssen an den Beinen erkennbar. So zeichnen sie die Bahn der verletzten Bänder nach. Dies verdeutlicht recht anschaulich, wie Verletzungen ausstrahlen und weitere Strukturen beeinträchtigen. Auch Ödeme und Hämatome beeinflussen das System des Bewegungsapparates und führen zu zusätzlichen Spannungen, die Einschränkungen und Schmerzen verstärken. 

Langwierige Heilungsprozesse mit starken Einschränkungen stellen das Leben von aktiven Sportlerinnen und Sportlern schnell und plötzlich auf den Kopf. Neben der physischen Komponente rate ich daher auch, die psychische Komponente wahrzunehmen und nicht zu ignorieren. Meist gibt es Möglichkeiten und Wege, trotz starker Einschränkung sportlich aktiv zu sein und sich selbst vorerst neu im Leben zu orientieren. 

HEILUNGSPROZESSE BESCHLEUNIGEN?! GIBT ES DA NICHT WAS? 

Im nächsten Artikel gebe ich Tipps und Anregungen; und außerdem einen Einblick in meine Erfahrung nach dem Kletterunfall. Das beinhaltet Informationen dazu, wie ihr lange Phasen der Ruhigstellung gut überstehen und auch den Weg des erneuten Laufenlernens entspannt angehen könnt.

„WIR BRINGEN SIE WIEDER ZUM LAUFEN“ 

„Das MRT zeigt uns, dass das Sprungbein durch den Sturz und den Aufprall doch ausgeprägter geprellt ist, als wir zunächst gedacht haben. Ich würde Sie bitten, ihre Aktivität etwas zurückzuschrauben. Wir wollen die Ruhigstellung noch etwas verlängern.“ 

Wenige Minuten später:

Zwei Monate sind 61 Tage, 61 Tage sind 1464 Stunden und das noch in Minuten? Ich bin müde. Ich kann die Verletzung und ihre Folgen nicht akzeptieren. Wir haben 35 Grad im Schatten und dieser riesige, schmerzende Stiefel um meinen Fuß macht die Situation nicht erträglicher. Es sind die zwei Prozent Hoffnung auf eine gute Nachricht, die den Weg in die Uniklinik etwas leichter gemacht haben.

Foto: Anna Poth

Nur sie kam nicht. Und die eigene Schmerz- und Körperwahrnehmung sprach auch nicht für eine positive Entwicklung. Da sind die Reaktionen von Kolleginnen und Kollegen, wenn man Projekte für die kommenden Monate absagen muss. Da ist die Sprachlosigkeit einiger Leute, die den Zustand nicht besser macht. Ein Satz eines älteren, sehr geschätzten Regisseurs und Kollegen bleibt in meinem Kopf hängen und kommt immer wieder in die Repeat-Schleife: „Ich verstehe das nicht, du bist doch so eine gute Künstlerin, du hast doch so eine gutes Körperbewusstsein, wie kann dir denn nur so ein Kletterunfall passieren?!“ Ich finde keine passende Antwort.

Ich brauche mehr Informationen. Brauche Gewissheit. Und Ruhe.

TIPP 1 – INFORMATIONEN

Ich will alles wissen – alles zu meinem Fuß, alles über Fußverletzungen bei Kletterunfällen und die Nachwirkung von Stürzen im Allgemeinen. Ich empfehle euch, euren behandelnden Unfallchirurg oder mitbehandelnden Hausarzt zu fragen, um an weitere Informationen zu kommen. Bei mir lief es etwas anders. In meinem Bekanntenkreis konnte ich meine Fragen und vor allem mein Leid einfacher verständlich machen. Ich telefonierte mit Leistungssportlern aus Deutschland und Österreich.

Sie waren mir eine große Stütze für meine psychische Verfassung und in der Einschätzung der Schmerzen. Auch sprach ich immer wieder mit Unfallchirurgen, die vor allem Bergunfälle in den österreichischen Alpen behandeln. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass ich den Chirurginnen und Chirurgen die gleichen Fragen gestellt habe, die auch mein behandelnder Chirurg vor Ort zu hören bekam, um im Idealfall dieselben Erklärungen und Herleitungen zu bekommen (die ich auch fast immer bekam). Die Antworten führten dazu, dass Gewissheit entstehen konnte. Darüber hinaus hatte das stetig wachsende Wissen über die Verletzung einen sehr befreienden Effekt.

TIPP 2 – HUMOR

Ich bin überzeugt, dass Lachen und Freude in solch angespannten Situationen die wichtigsten heilungsfördernden Mittel sind, die es gibt. Sei es Situationskomik, die Witze der besten Freund*innen, lustige Videos oder Serien, die das Leben in der Zeit nach dem Kletterunfall leichter und entspannter machen.

TIPP 3 – FREUND*INNEN & FAMILIE

Ausflüge, wie ins Rhein-Main-Tal,sind wichtige Abwechslungen. Foto: Anna Poth

Nahestehende und liebe Personen aus meinem Freundeskreis und meiner Familie waren und sind enorm wichtig. Wenn ich an die Zeit nach meinem Kletterunfall zurückdenke, sind spontane Überraschungsbesuche und Ausflüge die schönsten Momente in der Zeit der Ruhigstellung. Sei es ein kleiner Trip im Rollstuhl zur Eisdiele, ein Ausflug ins Rhein-Main Tal oder ins bergige Umland – ein wenig Höhenluft atmen.

Auch barrierefreie Konzerte kann ich nur empfehlen. Ein wenig vorsichtig wäre ich im Nachhinein bei basslastiger Musik. Der Bass verursachte bei mir sehr starke Schmerzen.

TIPP 4 – TAKE IT SLOWLY – DAS LAUFENLERNEN

Wenn ich beobachte, wie oft Kleinkinder bei den Versuchen zu Laufen stocken, sich neu sortieren, eine Pause machen und doch immer weiter machen – so langsam müsste, rückblickend, ein idealer Anfang des erneuten Laufenlernens aussehen. Durch die lange Ruhigstellung und die Verlagerung des Gewichts auf die linke Körperhälfte und die Krücken, haben sich der Körper und die natürlichen Abfolgen verändert. Das erstmalige Aufsetzen des rechten Fußes ohne feste Schuhe führte zu einer kleinen Nervenachterbahn.

Die Wahrnehmung und Empfindsamkeit gegenüber der Beschaffenheit des Bodens ist sehr hoch. Seien es Wiesen, Waldwege, Erhebungen, kleine Steinchen oder Bürgersteige, die mit unebenen Platten gepflastert sind. All das bekam ich ungefiltert von der Fußsohle ins Hirn gesendet. Positiv lässt sich so das Laufenlernen mit einer kleinen Entdeckungsreise gleichsetzen. Mein Tipp für euch – betrachtet das Laufenlernen als kleine Abenteuerreise und versucht, es so entspannt und bewusst wie möglich anzugehen. Forciert keine Belastungen und Abläufe, die der Fuß eventuell noch gar nicht leisten kann.

TIPP 5 – AUSGLEICH & SPORT

Frische Luft schnappen am See. Foto: Anna Poth

Im Hochsommer mit einem großen Stiefel, der bis zu den Knien reicht ruhig gestellt zu sein, ist keine einfache Situation. Ich habe mir einen Rollstuhl geliehen, um mir die zwei Monate so angenehm wie möglich zu machen. Durch dieses Extra konnte ich mir einen guten Ausgleich schaffen. Ideal ist es, wenn der Rollstuhl auch in der eigenen Wohnung nutzbar ist, dann ist das Leid unter der mangelnden Eigenständigkeit sehr viel geringer. In der ersten Zeit nach dem Kletterunfall ist an Sport schon aufgrund der starken Schmerzen im ganzen Körper nicht zu denken.

Nach Absprache und mit sehr gutem Bewusstsein über die eigenen Fähigkeiten des Körpers trainierte ich in der Zeit der Ruhigstellung den Oberkörper. Die Krücken lassen sich auch zu sportlichen Zwecken nutzen. Krücken im Hochsommer mit riesigem Stiefel am Bein, Schmerzen und nur einem Fuß als Stütze, dass ist eine durchaus sportliche Herausforderung. Treppensteigen ist eine kurze und effiziente Auspower-Methode mit Sixpack Garantie.

Die Alexander-Technik

Für mich hat als ausgleichende Methode die Alexander-Technik gut funktioniert. Statt Alexander-Technik können bestimmt auch Elemente aus Yoga oder Feldenkrais unterstützend sein. Die Alexander-Technik setzt sich mit dem individuellen Aufbau des Körpers und der individuellen Nutzung des Bewegungsapparates auseinander.

Diese Technik ist ein gutes Mittel, um falsche Spannungen und Irritationen in Bewegungsabläufen zu lösen, und wieder zu einer natürlichen Laufbewegung zu kommen. Auch während der Ruhigstellung hat die Technik mir geholfen, um die Verletzung nach dem Kletterunfall und meine neue Lebenssituation annehmen zu können und einen guten Zugang zu meinem Körper zu behalten. Natürlich ist in Zeiten der Ruhigstellung keine natürliche Bewegung zu erlernen – hier half mir die bewusste Wahrnehmung der Heilungsprozesse und der Veränderungen im Körper. Durch die Einschränkung schafft der Körper andere Bewegungsmuster.

Ein kleiner Ausflug in die Berge an der Schweizer Grenze. Foto: Anna Poth

Das Studieren des eigenen Körpers und das Optimieren von Bewegungsabläufen kann leicht zu einer Wissenschaft werden. Hier ist es wichtig, erst mal nur wahrzunehmen, zu verstehen und in Ruhe zu handeln um neue, stimmige Abläufe zu erreichen.

Im Allgemeinen ist die Alexander-Technik hilfreich bei:

  • Stressreaktionen des Körpers und Geistes
  • ungünstigem Gebrauch des Bewegungsapparates
  • Schmerzen und Spannungen des Bewegungsapparates
  • Nervenerkrankungen und Unruhe

Neben der Alexander-Technik kann Physiotherapie hilfreich sein und sollte verschrieben werden, um die Bewegung des Gelenks zu fördern. Am besten geht ihr zu speziellen und erfahrenen Physiotherapie- Zentren für Sportlerinnen und Sportler und nehmt nicht die erstbeste Physiotherapie Praxis in eurer Nähe.

TIPP 6 – REDEN, REDEN, REDEN

Ich kann euch nur ans Herz legen mit allen Personen, die bei eurem Kletterunfall dabei waren, auch darüber zu sprechen. Nicht um den genauen Hergang zu erläutern, sondern vor allem über die Erinnerungen, die bleiben, zu reden. Seien es die Geräusche des Aufpralls, die andere Personen noch im Ohr haben, an die man sich selbst aber nicht mehr erinnert. Das Austauschen von Erinnerungen hat nicht nur mir geholfen, die Erinnerungen an das Geschehene zu verarbeiten, sondern auch allen Beteiligten.

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Bergfreundin Anna

Mein schönstes Erlebnis war die Gletschertour im Mount Cook Nationalpark in Neuseeland. Sonst freue ich mich immer auf eine warme Hütte nach einer langen Tour!

3 Comments on the Article

  1. Bernhard H. 10. Juli 2022 11:10 Uhr

    Hallo. Ich habe die selbe Diagnose erhalten. Könnten sie mir eventuell sagen wo die Berichte zum heilungsprozess abrufbar sind? Vielen Dank vorab! Bernhard H.

  2. Kay 21. Feber 2020 09:39 Uhr

    Das sieht schwer nach der Halle in Meckenheim aus. Ich hoffe du bist wieder auf den Beinen und hast trotz dieses Unfalls die Freude am Klettern nicht verloren. LG, Kay

  3. Georg 23. Dezember 2019 15:31 Uhr

    Sehr interessanter Artikel, ich hoffe es geht dir inzwischen deutlich besser. Bin gespannt wiebes mit deiner Erzählung weiter geht. Eine Frage dazwischen, wie ist es zu dem Unfall gekommen? Vg Georg

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