Soll es mit dem Nachwuchs zum Klettern gehen, kommen mit unter oft Fragen auf: Welche Klettergurte eignen sich für Kinder? Gibt es hierzu spezielle Modelle oder greift man besser auf kleine Gurte aus dem Erwachsenenbereich zurück? Welches ist überhaupt der beste Gurt für mein Kind und worauf sollte ich beim Kauf achten? Legen wir also gleich los und schauen uns die bunte Welt der (Kinder-)Klettergurte einmal näher an.
Im Bereich der Klettergurte unterscheidet man im Wesentlichen drei Gurtarten:
- Komplettgurte (auch Kombigurte genannt) und Kleinkörpergurte (für Kinder)
- Hüftgurte
- Brustgurte
Je nach Hersteller und Modell sind die Gurte (voll-)verstellbar oder entsprechen ggf. auch nur einer bestimmten Größe. Analog zu den Gurten für Erwachsene gibt es auch zahlreiche Modelle, die speziell an die Bedürfnisse von Kindern angepasst sind. Wie diese aussehen, wann sie eingesetzt werden uns was dabei die Vor- und Nachteile sind, verraten wir euch in diesem Beitrag.
Körperbau von Kindern
Kinder sind nicht einfach nur kleine Erwachsene. Bis zur Pubertät unterscheidet sich der Körperbau von Kindern in vielerlei Hinsicht deutlich von dem ausgewachsener Personen. Hierzu zählen unter anderem ein deutlich höherer Körperschwerpunkt und weniger ausgeprägte Hüftknochen. Bei Kindern liegt der Körperschwerpunkt im Brustbereich (bei Erwachsenen auf Höhe der Hüfte). Hierdurch kann das Problem entstehen, dass Kinder bei einem Sturz ins Seil leichter nach hinten überkippen und es zu einem unkontrollierten Kopfübersturz kommt. Auch können Hüftgurte aufgrund des Körperbaus bei Kindern zu einer Sicherheitslücke führen.
Diese Problematik muss selbstverständlich bei der Wahl des Klettergurts berücksichtigt werden. Der richtige Klettergurt für Dein Kind orientiert sich also stark an dessen Körperbau und individuellen Bedürfnissen. Kein Wunder also, dass auch der Markt unterschiedliche Gurt-Typen für Kinder bereithält, schauen wir uns die doch einfach mal an.
Kleinkörpergurte bzw. Komplettgurte für Kinder
Wie der Name schon andeutet, handelt es sich bei Komplettgurten um Klettergurte, die nicht nur an Taille und Oberschenkel angelegt werden, sondern auch den Oberkörper umschließen. Speziell für Kinder gibt es in dieser Kategorie auch sogenannten Kleinkörpergurte (Typ B), die bis zu einem Gewicht von maximal 40 kg zugelassen sind. Gurte dieser Art kommen vor allem bei kleineren und zierlichen Kindern zum Einsatz.
Durch den höheren Körperschwerpunkt kann es nämlich bei Kindern vermehrt vorkommen, dass sie bei einem Sturz ins Seil Übergewicht nach hinten bekommen und somit kopfüber hängen würden. Gerade bei besonders schlanken Kindern, die eine schmale Hüfte haben, könnte dies dazu führen, dass sie im Extremfall aus dem Gurt rutschen. Beide Probleme werden durch den Einsatz eines Komplettgurts vermieden, da der Gurt den Körper auch im Schulterbereich zuverlässig sichert. Auch ist der Anseilpunkt bei diesen Gurten höher angelegt als bei Sitzgurten, was wiederum das Kippen nach hinten verhindert.
Bei größeren, aber stark übergewichtigen Kindern kann es aus den selben Gründen außerdem notwendig sein, entsprechende Komplettgurte aus dem Erwachsenenbereich (Typ A) zu verwenden. Kleinkörper- bzw. Komplettgurte sind nicht selten vollverstellbar und decken somit gleich mehrere Körpergrößen problemlos ab. Hierdurch ist das Mitwachsen des Gurtes, abhängig vom Modell, ein gutes Stück weit möglich.
Doch leider haben Komplettgurte nicht nur Vorteile. Gerade beim Sportklettern werden sie nicht selten als störend oder sogar einengend empfunden. Auch erschwert der höhere Anseilpunkt mit unter das Sichern des Kletterpartners. Der höhere Anseilpunkt hat noch einen Nachteil, er bewirkt nämlich, dass man deutlich aufrechter im Gurt hängt und oft keine richtige Sitzposition einnehmen kann. Gerade bei Hängeständen und dergleichen, wird dies nicht selten als störend empfunden.
Vorteile Komplettgurt / Kleinkörpergurt:
- Verhindert bei einem Sturz das Kippen nach hinten
- Umschließt auch den Oberkörper
- Viele Modelle können mitwachsen
Nachteile Komplettgurt / Kleinkörpergurt:
- Hoher Anseilpunkt erschwert das Sichern des Kletterpartners
- Aufrechte Hängeposition wird oft als unangenehm empfunden
Hüftgurte für Kinder
Der Klassiker unter den Klettergurten ist sicherlich der Hüftgurt (Typ C) oder auch Sitzgurt. Dieser wird, ähnlich wie eine Hose, an Taille und Oberschenkel angelegt und kommt im Erwachsenenbereich vom Sportklettern bis hin zu Hochtouren zum Einsatz. Auch für ambitionierte Kinder empfiehlt sich der Einsatz eines Hüftgurts, sofern sie ihn sicher tragen können.
Hersteller wie Mammut, Edelrid, Black Diamond und Co bieten hierzu Modelle an, die sich speziell an den Bedürfnissen von Kindern orientieren. Bei Kindergurten sind die Gurtbänder und Polsterungen oft schmaler, als bei den Modellen für Erwachsene, was wiederum für eine optimierte Bewegungsfreiheit sorgt. Nicht selten versuchen die Hersteller auch den Anseilpunkt höher anzusetzen, was dem Umkippen nach hinten entgegenwirken soll.
Die generelle Ausstattung entspricht dabei in etwa der herkömmlicher Klettergurte, sodass auch Gurte für Kinder nicht selten mit zusätzlichen Materialschlaufen und praktischen Extras ausgestattet sind. Hüftgurte für Kinder unterliegen den gleichen Sicherheitsnormen wie Hüftgurte für Erwachsene und sind somit auch im Bereich der Sicherheit als gleichwertig anzusehen.
Hüftgurte gibt es in zwei grundlegenden Varianten: mit verstellbaren Beinschlaufen und mit festen Beinschlaufen. Erstere erlauben nicht nur das Tragen dickerer Kleidung, sondern können auch ein gutes Stück mit dem Kind mitwachsen. Zusätzlich erleichtert bei beiden Varianten die zentral angebrachte Anseilschlaufe auch das Sichern erheblich.
Vorteile Hüftgurt:
- Gute Bewegungsfreiheit
- Hoher Komfort auch bei langem Hängen
- Leichtes Sichern durch zentralen Sicherungsring
Nachteile Hüftgurt:
- Abhängig vom Körperbau weniger sicher als Komplettgurte
- Kopfüberstürze können nicht gänzlich vermieden werden
- Muss ggf. mit einem Brustgurt erweitert werden
Brustgurte für Kinder
Das Wichtigste gleich vorweg: Brustgurte dürfen ausschließlich in Verbindung mit einem geeigneten Hüftgurt verwendet werden. Die alleinige Verwendung eines Brustgurts ist äußerst gefährlich und kann zu schwerwiegenden Verletzungen führen. Als Ergänzung zu einem Hüftgurt, sind sie jedoch bestens als Klettergurt für Kinder geeignet und sorgen für eine gute Sicherheitsreserve.
Wie bereits mehrfach beschrieben, besteht bei Kindern die Gefahr, dass sie durch den höheren Körperschwerpunkt beim Hängen im Seil oder bei einem Sturz nach hinten kippen. Aus diesem Grund kann es, zumindest zeitweilig, sinnvoll sein einen Hüftgurt mit einem geeigneten Brustgurt (Typ D) zu erweitern. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Kind gerade eine starke Entwicklungsphase durchmacht, aber der Hüftgurt noch nicht gänzlich perfekt sitzt. Aber auch bei alpinen Unternehmungen, bei denen ein Rucksack getragen wird, sorgen Brustgurte für eine erhöhte Sicherheit.
Und so funktionierts: Für die Kombination von Hüft- und Brustgurt werden beide Gurte zunächst nach Herstellervorgabe angelegt. Ist dies geschehen, werden beide Gurte mittels Achterband miteinander verbunden. Hierzu wird eine nicht vernähte Bandschlinge verwendet. Alternativ gibt es auch Anseilmethoden, bei denen sich Brust- und Hüftgurt direkt mit dem Kletterseil verbinden lassen.
Nutzt man eine Kombination aus Brust- und Hüftgurt, so profitiert man jeweils von den Vorteilen, die Kombigurte und Hüftgurte mitbringen. Nachteil: Das Anlegen bzw. Verbinden einer Brust-Hüftgurt-Kombination ist deutlich aufwendiger und kann oft nicht selbständig von den Kindern vorgenommen werden.
Vorteile Brust-Hüftgurt-Kombination:
- Hohe Sicherheit auch bei ungünstigen Körpermaßen
- Kippen nach hinten wird bei einem Sturz verhindert
- Guter Komfort auch bei längerem Hängen
Nachteile Brust-Hüftgurt-Kombination:
- Aus- und Anziehen der Gurte ist aufwendig
Verbinden der Gurte mittels Achterband erfordert zusätzlich eine Bandschlinge.
Handling und Selbständigkeit
Beim Handling der Klettergurte für Kinder gibt es, unabhängig vom Typ, deutliche Unterschiede. Hier geht es in erster Linie darum, wie gut sich ein Gurt anlegen lässt und ob das bis zu einem gewisse Maß auch von den Kindern selbst bewerkstelligt werden kann bzw. werden soll. Um zu verdeutlichen, wie sich auch in diesem Bereich die Anforderungen unterscheiden können, möchte ich Euch hier ein paar Szenarien aufzeigen.
Ein ca. sechsjähriges Kind verbringt den Tag mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Sportklettergebiet.
In diesem Fall ist das Kind noch vergleichsweise Jung und der Körper noch stark in der Entwicklungsphase. Ein einfacher Hüftgurt wird hier in der Regel nicht ausreichen, weshalb sich die Eltern wahrscheinlich für einen Komplettgurt entscheiden werden. Komplettgurte sind meist super schnell aus- und angezogen. Vorne werden sie oft nur mit einer Steckschnelle verschlossen, sodass der Gurt nicht gleich vom Körper fällt. Die finale Fixierung des Gurts erfolgt meist, indem beide Anseilschlaufen ins Seil eingebunden werden. Ein Gurt dieser Art bringt für die Eltern den Vorteil mit, dass er schnell angelegt und auch wieder ausgezogen ist. Gerade wenn das Kind lediglich erste Kletterversuche macht und während des Aufenthalts am Fels vergleichsweise wenig klettert, ist ein schneller Wechsel von Klettern (mit Gurt) und Spielen (ohne Gurt) kein Problem. Auch das zeitweilige Tauschen des Gurts zwischen den Geschwistern stellt somit keine größere Herausforderung dar,
Eine Kinder- und Jugendklettergruppe trainiert in der Halle.
Je nach Vereinsgröße und -art unterscheidet sich das Alter und der Leistungsstand der einzelnen Teilnehmer stark. Hier kann es sein, dass vom noch unerfahrenen Grundschulkind bis zum ambitionierten Jugendlichen zahlreiche Alters- und Leistungsstände vorhanden sind. Gerade für die Betreuer und Trainer stellt es oft eine große Herausforderung dar die Gruppe zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass jeder seine Ausrüstung richtig angelegt hat. Gerade bei noch sehr jungen Kindern kommen auch hier Komplettgurte zum Einsatz. Darüber hinaus werden in diesem Fall sicherlich Modelle bevorzugt, die bereits durch das korrekte Anlegen sicher verschlossen sind. Oft können Gurte dieser Art, gerade auch von jüngeren Kindern nur schwer selbständig ausgezogen werden, was unter bestimmten Bedingungen auch ein Vorteil für die Betreuer sein kann. Die älteren Kinder der Gruppe werden für das Training Hüftgurte verwenden. Stellt diese der Verein, eignen sich Modelle mit einem großen Verstellbereich, sodass der Gurt schnell an den jeweiligen Nutzer angepasst werden kann.
Ein ca. zehnjähriges Kind geht mit Eltern und Verein regelmäßig zum Klettern und in die Berge.
Wer ambitioniert klettert, wird in der Regel mit einem Komplettgurt auf Dauer nicht glücklich. Das ist auch bei Kindern so. Daher kommen auch für Kinder, sofern es der Körperbau zulässt, Sitzgurte zum Einsatz. Gerade bei leistungsstarken Kindern ab ca. 10-12 Jahren ist das oft der Fall. Sitzt ein Hüftgurt gut ist er auch für ältere Kinder beim Klettertraining in der Halle und am Fels völlig ausreichend. Gleichzeitig sind Modelle dieser Art oft so gestaltet, dass das Anziehen vergleichsweise intuitiv ist und mit ein wenig Übung auch von den Kindern selbst vorgenommen werden kann. Bei alpinen Unternehmungen oder Klettersteigen, bei denen das Kind vielleicht auch einen Rucksack trägt, ist es aber auf jeden Fall sinnvoll den Hüftgurt mit einem Brustgurt zu ergänzen. Auch kann ein zusätzlicher Brustgurt eine gute Übergangslösung darstellen, wenn sich der Körperbau des Kindes gerade stark verändert, aber für die alleinige Verwendung eines Sitzgurts noch nicht ausgeprägt genug ist.
Aber welcher Klettergurt ist nun der Richtige für mein Kind?
Das Wichtigste bei einem Klettergurt ist, dass er gut passt und angenehm sitzt. Diese Einschätzung ist leider überhaupt nicht an optische Kriterien gebunden. Heißt: Nur weil ein Gurt super angenehm gepolstert aussieht, ist er in der Praxis nicht zwangsläufig bequem. Hier gilt also für alle Altersklassen und Körpergrößen ausprobieren! Am besten einen Hängetest machen. Denn erst beim Sitzen im Gurt stellt sich heraus, ob dieser irgendwo drückt und zwickt.
Auch das Handling eines Gurtes spielt natürlich bei der Auswahl eine wichtige Rolle. Auch hier ist es wichtig, die persönlichen Anforderungen bzw. die des Kindes genau zu prüfen. Praktische Details wie eine farblich abgesetzte Anseilschlaufe oder unterschiedlich gekennzeichnete Beinschlaufen erleichtern bei vielen Modellen das Anlegen des Gurts und helfen beim Einbinden den richtigen Anseilpunkt zu finden. Last but not least: Das Aussehen. Vielleicht stärker als bei Erwachsenen spielen auch bei Kindern optische Kriterien eine wichtige Rolle. Jeder, der Kinder hat oder einmal eine Kindergruppe betreut hat, wird das kennen. Manchmal finden Kinder einfach den roten Gurt doof oder den mit der gelben Anseilschlaufe oder oder oder. Das hat freilich nichts mit der eigentlichen Bewertung eines Gurts zu tun, trägt aber gerade bei Kindern erheblich dazu bei, dass diese auch gerne damit klettern. Denn nicht zuletzt ist das Wohlfühlen ein wichtiger Faktor, der zur wahrgenommenen Sicherheit beiträgt.