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Getestet: Hanwag Ferrata II GTX Bergstiefel

Inhaltsverzeichnis

Der Markt für technische Bergstiefel ist überschwemmt mit Bergen (haha) von unterschiedlichen Modellen – könnt ihr uns glauben, ist ja schließlich unser Job! Wenn man sich auf die langwierige Suche nach einem geeigneten Modell für sich selbst begibt, ist dies vor allem die Suche nach der eigenen Motivation – wie viel will ich wandern, wie viel klettern? Was, wenn man beides möchte, oder besser gesagt, sich einen Weg am felsigen Abgrund entlang bahnen oder einen Klettersteig mit Kabelbrücken überqueren will? Wird man einen Gletscher queren? Auf rutschigen Felsplatten balancieren? Hanwag schickt in dieses Rennen den Ferrata II GTX.

Einführung – Hanwag Ferrata II

Der rote Flitzer mit schützendem Oberschuh
Der rote Flitzer mit schützendem Oberschuh.

Der aktualisierte Ferrata ist Hanwags neuester Beitrag im großen Markt der traditionellen Bergstiefel. Normalerweise bekannt für ihre klare Formen und klassischen Schnitte, fühlt sich die Welt des immer schnelleren und leichteren Alpinimus meilenweit entfernt an von Stiefeln wie z.B. dem Tatra Top GTX mit seinem Voll-Leder-Schaft, dem steifen Knöchelbereich und dem traditionellen Leder-Design.

Der Ferrata kommt einem demgegenüber vor wie der Hecht im Karpfenteich. Beste traditionelle Werte werden hier mit neuen Technologien zu einem roten Flitzer kombiniert. Klassisches Leder wird ohne Saum mit synthetischem Material zusammengefügt, wodurch ein schützender Oberschuh entsteht, ohne dass man auf Atmungsaktivität verzichten muss. Der obere Schaft wird mit dem Rest des Schuhs durch eine Mikrofaserbrücke verbunden, was es ihm erlaubt, sich um den Knöchel zu biegen. Das resultiert in einzigartigem Halt und bester Kontrolle auf rutschigem Untergrund und in schwierigem Gelände. Die Zehenbox ist großflächig von Gummi geschützt, sodass hier und da auch ein Riss oder sogar eine leichte Einstiegsroute geklettert werden kann, ohne dass der Schuh danach in Fetzen hängt.

Technisches

Die Liste der in diesem Stiefel verbauten Features macht definitiv Lust auf mehr. Der Stiefel hat eine C-Wertung und ist, durch die Lippe an der Ferse, bedingt Steigeisenfest. Die Sohle kommt mit tiefen, weit auseinanderliegenden Stollen, um guten Grip auf losen Steinen zu gewährleisten. Durch den vorderen, flachen Bereich können aber auch einige Klettermeter gemacht werden. Die Schnürung ist in zwei „Zonen“ aufgeteilt. Sobald man am Fuß die richtige Festigkeit erreicht hat, klippt man die Senkel einfach ein, und kann somit in Ruhe fertig Schnüren, ohne, dass einem der untere Bereich wieder davon rutscht. Mit 1440g pro Paar (in Größe 42), positioniert sich der Stiefel klar für Sommertouren – im Winter wird es dann doch zu frisch um die Zehen.

Der Test-Ort für die Hanwag Ferrata II Bergstiefel

Steinwände in Sardinien
Die (Stein)-Wände in Sardinien sind teilweise 500m hoch.

Ah, die Alpen… schroffes Gelände, riesige Steinmassive, herrliche Routen, die das Auge des Betrachters in die Ferne… ah, Mist! Nachdem die Berge uns mit zu viel Wasser (von oben) den Aufenthalt vermiesen wollten, haben wir es den Zugvögeln gleichgetan und uns mal die herrlichen Mehrseillängen in mediterran gemäßigteren Gebieten angeschaut. Im Umkehrschluss heißt das leider auch, dass wir bisher nicht dazu kamen, die Stiefel im schneegeküssten Gelände mit Steigeisen zu testen, weshalb sich diese Bewertung mehr auf die Wander- und Kletterfähigkeiten bezieht.

Zuerst aber eine allgemeine Ansage über Sardinien: Mann, muss man da laufen! Obwohl wir eigentlich zum Klettern dort waren, brachten wir es in den zwei Wochen Aufenthalt auf über 30 Stunden Wandern, um zu den Routen und wieder nach Hause zu kommen. Das perfekte Testgelände für den Ferrata II war die legendäre Gorropu-Schlucht mit ihren technischen Boulderfeldern, über -und manchmal auch unter- die man Kraxeln muss, um zum Einstieg der verborgenen, 500m hohen Wände zu kommen.

Beeindruckendes zu den Bergstiefeln Hanwag Ferrata II

Kletterfähigkeit: Als großes Plus – im Gegensatz zu vielen Konkurrenten – kann der Ferrate mit einer großen, seitwärts weiter geführten Kletterfläche an der Spitze aufwarten. Das klingt vielleicht erstmal nicht nach viel, aber die Fußspitze auf einem kleinen Tritt drehen zu können, ohne sofort abzurutschen macht den Unterschied bei einfachen Klettereien aus.

Der Ferrata punktet vor allem durch hohen Tragekomfort
Der Ferrata punktet vor allem durch hohen Tragekomfort.

Der beste Stiefel ist der, den man für einige Seillängen anbehalten kann, bevor man in die technischeren (aber weniger bequemen) Kletterschuhe schlüpft. Überraschend für so einen steifen Stiefel ist auch, dass der Ferrata guten Grip auf stark abgerundeten Flächen behält. Das ist etwas, was wir nach Herzenslust an den glatt geschliffenen Steinen am Bachbett testen durften.

Höchster Komfort: Diese Stiefel wanderten aus dem Karton, auf den Trail und blickten nie zurück. Während man doch erwartet, dass jetzt erst einmal der lange Prozess des Einlaufens beginnt, zeigten sich die Ferratas vom ersten Tag an von ihrer gemütlichsten Seite. Obwohl die Steifheit der Bergstiefel nicht fehlt, waren sie auch noch nach kilometerlangen Wegen mit einem schweren Kletterrucksack sehr bequem.

Haltbarkeit: Auf diesem Gebiet haben sich die Entwickler wirklich etwas gedacht, um dem Stiefel eine lange Lebensdauer zu ermöglichen. Die wenigen Nähte auf dem Oberschuh bieten so wenig Angriffsfläche wie möglich, und die Gummibereiche an der Spitze und den Seiten schützt das Material vor gar zu spitzen Steinen.

Wo es hakelt

Nicht schwer, aber auch kein Leichtgewicht: Auch wenn man sich alle Mühe gegeben hat, das Gewicht des Schuhs für seine Klasse so leicht wie möglich zu machen, hat der Ferrata II immer noch eine Schokotafel zu viel auf den Rippen.

Im Direktvergleich mit den nächstliegenden Konkurrenten, wie z.B. dem federleichten Scarpa Ribelle Tech (1240g) erscheint der Ferrata doch eher wie ein kleiner Brummer, vor allem wenn man bedenkt, dass er für größere Füße auch mehr Gewicht mitbringt.

Packmaß: Seien wir ehrlich: An einem bestimmten Punkt werdet ihr den Stiefel in einen Rucksack packen wollen; spätestens dann, wenn die Klettergrade in die Höhe wandern. Genau dann seid ihr an dem Punkt angekommen, wo euch das Packmaß vermutlich ärgern wird.

Der faltbare Schaft erlaubt zwar etwas mehr Spielraum als ein normaler Stiefel, ist aber keine Konkurrenz zu einen luftig leichten Zustiegsschuh – diese können inzwischen, flexiblen Steigeisen wie dem Petzl Leopard sei Dank, auch als Konkurrenz an Routen mit kurzen Schneequerungen angesehen werden.

Taugen die Hanwag Ferrata II?

Abgesehen von den kleinen, mäkeligen Punkten des höheren Gewichts und des kniffeliges Packmaßes tut der Hanwag Ferrata II GTX genau das, was er soll. Reinschlüpfen und ewig lange Zustiege bezwingen, technische Kraxeleien, einfaches Felsklettern – alles möglich. Steigeisen an und der Gletscher gehört euch, auf geht’s über die Schneefelder, durch die Bäche und sogar (vermuten wir)  mit den Vorderzacken über kleinere Eishügel. Wenn ihr einen (ziemlich) leichten Stiefel sucht, den man am Berg ohne Rücksicht auf Verluste einsetzen kann, dann sollte der Hanwag Ferrata II auf jeden Fall auf der Liste stehen.

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Bergfreund Gastautor

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