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Auf den Spuren von Inspektor Clouseau und Toni Sailer beim Lavaredo Ultratrail

Inhaltsverzeichnis

Würde es nur Raum aber keine Zeit geben, könnte man beim „The North Face Lavaredo Ultratrail“ eine Menge interessanter Personen treffen. Der genannte Wettbewerb ist eine viertägige Laufveranstaltung im Herzen der Dolomiten mit dem Start- und Zielort Cortina d’Ampezzo. Diese Kleinstadt mit knapp 6.000 Einwohnern war in der Vergangenheit Schauplatz für viele legendäre Sportevents und filmische Meisterleistungen.

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Hier war das Phantom vermutlich nicht unterwegs.

Toni Sailer wurde 1956 dreifacher Olympiasieger, bevor sich an gleicher Stelle, aber sieben Jahre später, Peter Sellers als Inspektor Clouseau eine spannende Verfolgungsjagd mit dem Phantom lieferte. In diese illustre Runde reihten sich danach Roger Moore mit dem Bond-Film „In tödlicher Mission“ und Sylvester „Cliffhanger“ Stallone mit seinen Doubles Wolfgang Güllich und Ron Kauk ein. Darüber, wie wichtig diese Ereignisse für unsere Menschheit sind und ob Laufveranstaltungen ohne die Dimension Zeit überhaupt möglich wären, kann man stundenlang nachgrübeln. Eine ideale Nebenbeschäftigung für Ultraläufe!

Ich hatte das Glück, dass sich der Lavaredo-Hauptsponsor „The North Face“ mit seiner VIP-Invitation nicht an solche Berühmtheiten richtete, sondern mich als gewöhnlichen Bergfreund einlud. Meine Mission sollte es sein, an einem von drei Laufwettbewerben teilzunehmen. Zur Auswahl standen das Skyrace mit 20 km (1.000 Hm), der Cortina Trail mit knapp 48 km (2.600 Hm) und die Königsdisziplin Ultratrail mit 120 km (5.850 Hm). Außerdem konnte ich mich zu einem umfangreichen Rahmenprogramm melden, bei dem u.a. die  neue „Flight Series“ (Bekleidung) und „Ultra Series“ (Footwear) getestet werden konnte. Die Einladung versprach, dass ich mich einzig und alleine um die Anreise kümmern musste. Das war auch gut so, da es schon Mitte Mai war und der Event vom 22. bis 25. Juni stattfinden sollte – jetzt war trainieren angesagt.  Nicht nur wegen der knappen Vorbereitungszeit war meine Entscheidung schnell gefällt: Das Skyrace sollte es sein!

Neue Herausforderungen

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Die offzielle Streckenmarkierung!

„Try again“ feuert mich Cristina vom Organisationsteam an. Mein Puls ist knapp an der anaeroben Schwelle und erste Schweißperlen stehen auf der Stirn. Ärgerlich nur, dass ich mich nicht am ersten, selektiven Steilaufschwung der Skyrace-Strecke , sondern zu Hause vor dem Computer befinde. Eine Woche vor dem Lauf empfing ich eine Mail mit dem Betreff „Skyrace – Urgent Registration Markus Schenk“. Innerhalb eines Tages soll ich mich nun anmelden und ein sportmedizinisches Zertifikat beschaffen!? Bin ich nicht schon seit vier Wochen als Gastläufer gemeldet? Eifrig starte ich die Registrierung bei enternow.it und gebe sämtliche Daten von mir preis.

Wollen die jetzt im Ernst auch meinen Schulabschluss wissen? Egal. Natürlich gebe ich ehrlich Auskunft. Jetzt nur noch schnell den 16-stelligen (!) Freischaltecode eintippen und ich bin fertig. Aber wo gibt es ein passendes Textfeld? Verzweifelt versuche ich, mich in die inzwischen gesperrte Registrierung  für das Skyrace einzuloggen. Kein Erfolg, dafür hilfreiche Tipps per Mail: „It works! Please try it again.“ Warum ich dann nicht einfach direkt auf die Startliste gesetzt werde, wird ein ewiges Geheimnis der Veranstalter bleiben. Nach zehn Mails und einem verplempertem Vormittag treffe ich folgende Entscheidung: Kapitulation.

Never stop exploring

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Ein wunderschönes Fleckchen Erde!

Werbeslogans brennen sich ins Hirn ein und steuern unbewusst das menschliche Handeln. Deshalb sitze ich gerade bei 35° Celsius auf meinem Motorrad und versuche, das Pustertal möglichst schnell hinter mich zu bringen. Muss man einmal kurz anhalten, erhitzt sich das  Kühlwasser hurtig Richtung Siedepunkt, was aber zuverlässig vom Kühlerventilator unterbunden wird. Schade, dass dieser Luftstrom nicht auch unter meine schützende Lederkombi strömt, die mir momentan völlig fehl am Platze erscheint. Sehnsüchtig wandert mein Blick Richtung Dolomiten, über denen sich inzwischen imposante Gewitterwolken bilden. Die schattigen Gebirgstäler werden mir die verdiente Abkühlung bringen!

Ganz so drastisch ist der Wechsel zur kühlen Gebirgsluft aber doch nicht. Selbst auf den über 3.000 m hohen Gipfeln sind nur wenige Schneereste zu erkennen, als ich von Toblach Richtung Passo di Cima Banche fahre. Nur unterhalb der Nordwand des Monte Cristallos und in der steilen Innerkofler-Rinne halten sich hartnäckig ein paar Firnreste.

Was ich hier mache? Ich habe mich dazu entschlossen, zwei Tage vor dem Skyrace nach Cortina anzureisen. Auch ohne Teilnahme am Lauf  lässt es sich in den Dolomiten prima leben und – wer weiß – vielleicht bekomme ich doch noch eine Chance, an die Startlinie zu treten. Mein Joker sind schließlich die VIP-Invitation und Jessica von The North Face, die im Hintergrund versucht, doch noch einen dieser exklusiven Startplätze für mich zu ergattern. Meine Hoffnung wird geschürt, als ich die Nachricht erhalte, dass eventuell eine Teilnahme außer Konkurrenz möglich ist. Wäre ja auch gemein gewesen, wenn mir das Laufen in Cortina generell verboten wird!

Telefonieren unter der Tofana

Du musst wissen, dass ich sehr ungern Mobiltelefone benütze. Wenn ich mein veraltetes Telefon aus der Tasche ziehe, handelt es sich entweder um einen Notfall oder es ist unterwegs etwas vorgefallen, das weitere Absprachen unausweichlich macht. Durch geschickte Planung versuche ich, den Nachrichtenaustausch bei Ausflügen in die Berge auf ein Minimum zu reduzieren. Alles in allem verwende ich dieses raffinierte Gerät also so, wie es der ursprüngliche Gedanke war. Aber jetzt pass’ auf. In dieser Urlaubswoche rückte ich ein ganzes Stück von meinen Grundsätzen ab und stellte einen persönlichen SMS-Rekord auf!

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Esszimmer mit großartiger Aussicht!

Doch alles der Reihe nach. Nach meiner Ankunft in Cortina, schlage ich mein Zelt auf dem Campingplatz „Olympia“ auf, der an einem idyllischem Ort unterhalb der Tofana di Dentro liegt. Mein Plan ist es, möglichst viele Eindrücke von dem Laufevent zu sammeln. Dazu gehört auch die Erkundung der Strecken zu Fuß – zumindest partiell. Einen großen Teil des Ultratrails fahre ich jedoch mit dem Finger auf der Karte ab, wobei mir einzelne Abschnitte von früheren Läufen bekannt sind.

120 Kilometer in wenigen Sätzen

Die Trailrunner umrunden, ausgehend von Cortina, mehrere Berge und kleinere Gebirgsgruppen. Die 40 km lange Einführungsschlaufe schlängelt sich entlang der Tofana di Mezzo und dem nordöstlich davon gelegenen Monte Cristallo, bevor einer der reizvollsten Abschnitte beginnt: Nach dem Rifugio Auronzo werden die Drei Zinnen (di Lavaredo) umrundet- leider geschieht dies für die führenden Läufer noch bei Nacht. Weiter geht es durch das Val Della Rienza zur Verbindungsstraße nach Toblach, parallel zu dieser läuft man wieder ein Stück Richtung Cortina. Wohlgemerkt sind es zu diesem Zeitpunkt immer noch 50 km bis ins Ziel. Die Läufer streifen dann knapp das Gebiet der Senneshütte. Von dort aus treffen sie auf die Strecke des Cortina Trails und werden westlich der Tofana die Mezzo direkt zum Falzaregopass geführt. Jetzt sind es „nur“ noch 25 km bis Cortina, das über den Passo Giau und das Rifugio Croda da Lago erreicht wird.

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Das wunderschöne Ortszentrum von Cortina.

Das Niveau auf den vorderen Plätzen ist bei den Frauen und Männern extrem hoch. Dies wird schon dadurch deutlich, dass aktuell versucht wird, den Streckenrekord auf unter 12 Stunden zu drücken. Auf dieser Distanz durchschnittlich 10 km/h zu laufen und das bei 5.800 Hm, spricht für sich! Daraus ergibt sich aber auch eine große Streuung bei den gemeldeten 1500 Teilnehmern. Schon bei Km 28 gehen die Veranstalter von 3 Stunden Zeitdifferenz vom ersten bis zum letzten Läufer aus. Im Ziel wird diese Abstand auf bis zu 17 Stunden ansteigen…

Sie haben eine neue Nachricht

Nach einem 12km-Dauerlauf und dem Einholen von Infos zum Ultratrail, hatte ich schon wieder einige Anrufe verpasst. Bei einer Tasse Kaffee checke ich die fünf neuesten Nachrichten. Mist, die zugeteilte Betreuerin von North Face reist jetzt doch nicht an! Dafür wird nach dem Skyrace eine Ersatzbetreuerin eintreffen, die mich in Empfang nimmt. Infos zum Start erhalte ich am nächsten Tag gegen Mittag. Aber das ist doch kurz vor dem Start zum Skyrace!? Ich bin genervt.

Eine mögliche Reaktion auf diese Neuigkeiten wäre gewesen, einfach loszuheulen. Ich entscheide mich für die etwas erwachsenere Variante und werde trotzig. Noch einen Tag mit abwarten verbringen und womöglich weitere Enttäuschungen erleben kommt für mich nicht mehr in Frage. Ich werde vormittags alleine die Skyrace-Runde laufen, bei angenehmeren Temperaturen und mit ausreichend Zeit, um ein paar Bilder zu machen. Außerdem gehe ich auf Nummer sicher und bleibe auf dem schönen Campingplatz in meinem Zelt. Wer weiß, ob wirklich eine Unterkunft für mich gebucht ist?

Skyrace solo

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Alleine laufen hat ja auch was für sich!

Die Skyrace-Strecke entpuppt sich als anstrengend und heiß. Die ersten drei Kilometer auf einem Radweg sind flach, bevor der Weg in einem Waldstück 400 Hm ziemlich direkt zu einem Geröllfeld führt, das sich unterhalb des Crep de Zumeles entlang zieht. Dieser gut 2.000 Meter hohe Bergkamm ist dem Monte Cristallo vorgelagert. An diesem südöstlich ausgerichteten Hang ist es schon in den Morgenstunden extrem warm und ich verliere bestimmt zwei Liter Wasser als ich mich die restlichen 600 Hm zum Passo son Forca hoch quäle.

Nach diesem Kulminationspunkt geht es die verbleibenden 7 km überwiegend bergab bis zum Ziel in der Fußgängerzone von Cortina. Gute Läufer brauchen für diese knapp 20 km lange Runde 1:40 h, ich habe mir inklusive Pausen zum Fotografieren und Trinken fast zweieinhalb Stunden  Zeit gelassen. Trotzdem war es eine harte Laufeinheit! Der obligatorische Telefonanruf blieb nicht aus: Am höchsten Punkt der Strecke bekomme ich von Ricardo, dem Eventmanager von North Face eine SMS mit dem Inhalt: „Are you ready to register for skyrace? Ich ringe mir nur ein kurzes, müdes Lächeln ab.

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Die Starter des Lavaredo Skyrace!

Abends stehen dann 350 Läuferinnen und Läufer am Start. Natürlich schaue ich mir das Rennen an und fiebere mit den Athleten mit – auch wenn es mir schwer fällt. Überragend ist die Siegerzeit vom Italiener Eddj Nani, der mit großem Abstand in 1:37h das Rennen gewinnt. Insgesamt bleiben fünfzehn Läufer unter der 2h-Marke, kurz darauf läuft die erste Frau Mara Yamauchi (GBR) über die Ziellinie. Meine Zeit hätte immerhin für eine Platzierung unter den ersten Hundert gereicht…

Never stop eating

Zufrieden sitze ich freitagabends im Restaurant „Ra Stua“ in Cortina vor einer Platte mit italienischen Spezialitäten. Neben mir steht ein Glas Bier und mein Gaumen ist verdutzt über die Qualität der Nahrung. Bisher hatte ich mich von einem Pack Nudeln und zwei verschiedenen Tomatensoßen ernährt. Die Variationsmöglichkeiten beim Abendessen waren eingeschränkt. Kaum zu glauben, aber ich habe  mich doch noch mit der North-Face-Reisegruppe getroffen. Carola und Sonja von der Niederlassung München laden zum Essen ein, bevor um 23 Uhr der Ultratrail gestartet wird.

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Bergfreund Markus und das TNF-Team!

Nachdem die vergangenen Tage von sportlichen Aktivitäten geprägt waren, lag der Schwerpunkt ab diesem Zeitpunkt beim Carboloading. Da ich in diesem Bereich Nachholbedarf hatte, ließ ich mich verwöhnen, ohne dass sich schlechtes Gewissen einstellte. Draußen füllten sich mittlerweile die Gassen von Cortina mit Sportlern, die ihre letzten Vorbereitungen für den Lauf trafen und aufgeregt durcheinander wuselten. Diese besondere Atmosphäre zog uns rechtzeitig zum Startbereich, der direkt an der Basilica dei Santi Filippo e Giacomo liegt.

Manch einem mag diese seltsame Startzeit ungewöhnlich erscheinen, aber viele Ultraläufe finden in der Nacht statt. In der Schlussphase von solch einem Rennen ist sowohl Körper als auch Psyche extrem geschwächt, weshalb es besser ist wenn man in den Sonnenaufgang läuft. Sonnenuntergang und „Mann mit dem Hammer“ wären eine ganz schlechte Kombination! Zudem ist es für Zuschauer und Läufer ein ganz besonderer Moment, wenn 1.500 Läuferinnen und Läufer bei Nacht mit Stirnlampen loslaufen.

Laufen statt schlafen

Nicht jedermann darf beim Lavaredo Ultratrail teilnehmen. Die  Läufer müssen sich bei ausgewählten Wettbewerben qualifizieren, was über ein spezielles Punktesystem geschieht. Damit soll u.a. verhindert werden, dass sich Teilnehmer einschreiben, die diesen Strapazen nicht gewachsen sind. Auch die relativ hohe Zahl an Finishern lässt sich dadurch erklären: Dieses Jahr schafften es  1.064 Läuferinnen und Läufer vor dem Zielschluss am Sonntag um 5.00 Uhr ins Ziel.

Mich fasziniert dabei jegliche Leistung in diesem weit gefächerten Teilnehmerfeld. Die ersten Läufer sind wahnsinnig schnell unterwegs und wären vermutlich auch bei kürzeren Distanzen auf vorderen Platzierungen zu finden. Was der Ansporn der hinteren Läufern ist, kann ich nicht vollständig nachvollziehen, mich beeindruckt jedoch der Wille, der einen Menschen 30 Stunden in Bewegung hält.

Bergfreund Markus beim Lavaredo Skyrace
Etwa 300 hm unterhalb des Ziels. What a view.

Schon allein deshalb stehe ich mit Gänsehaut an der Strecke als die Läuferschar Cortina verlässt. Schnell steige ich auf mein Motorrad, fahre zurück zum Campingplatz und jogge zu einem gut erreichbaren Platz an der Strecke. Als die ersten Läufer vorbei kommen, sind außer mir nur vier weitere Zuschauer und drei Streckenposten von der Bergwacht vor Ort. Oben am Berg blinken unzählige Stirnlampen  in der Dunkelheit und markieren den Wegverlauf über mehrere Kilometer. Hier beginnt der wirkliche Wettkampf: Die Athleten sind in ihrer eigenen Welt, Reize von außen werden nur noch begrenzt wahrgenommen, Signale von „innen“ geben den Laufrhythmus vor. Und vielleicht denkt auch der ein oder andere an Inspektor Clouseau – wer weiß das schon?

Heimreise

Eine ungewöhnliche Reise war das! Vieles lief schief und es hätte genügend Gelegenheiten gegeben, um sich mal wieder richtig aufzuregen. Glücklicherweise war ein Buch von David Foster Wallace im Reisegepäck. In „Das hier ist Wasser“ geht es – grob zusammengefasst –  um die Entscheidungsfreiheit des Denkens. Ich hatte die Wahl zwischen den Gedanken„Verdammt, hier läuft alles schief“ und „Hey, hier ist es aber schön“. Es gab viele Momente, in denen ich Letzteres dachte. Danke für diese Lektion an „The North Face“!

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Bergfreund Gastautor

1 Kommentar zum Artikel

  1. Andrea und Joachim 7. Juli 2017 13:29 Uhr

    Super Text ! Liest sich richtig gut. Wir freuen uns schon auf den nächsten Bericht:-):-)

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