Dolce Vita am Achensee – Alpines Sportklettern an Klobenjoch, Rotspitze und den Issplatten

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Alpines Sportklettern an Klobenjoch, Rotspitze und den Issplatten mit Blick auf den Achensee
Nicht nur in der Direkten Südwand (7) liegt dem Kletterer der türkisblau leuchtende Achensee zu Füßen. Foto: Georg Pollinger

Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter- das beste Klettertraining ist klettern am echten Fels. Für „zache Hund” spielen Jahreszeiten keine Rolle, die gehen bei jedem Wetter und allen Temperaturen an den Fels. Aber wir “Normalsterblichen” müssen uns gerade in den Übergangszeiten mit einigen wenigen Gebieten mit Südwänden begnügen. Warum sich dabei so wenige Kletterer ins Rofan verirren, ist mir bis heute ein Rätsel, denn einige Klettergebiete sind wie geschaffen für die Übergangszeit! Südexponierte, kurze Wände mit bestem Fels, und dank Seilbahn winkt ein müheloser Zustieg. Dazu ein herrlicher Blick auf den türkisblauen Achensee und die schroffen Zacken des Karwendels. Die Garantie für einen „lässigen“ Klettertag!

Qual der Wahl am Klobenjoch

Alpines Sportklettern an Klobenjoch, Rotspitze und den Issplatten mit Blick auf den Achensee
Rofan-Fels vom Feinsten: rauer Kalk und wasserzerfressene Strukturen. Foto: Georg Pollinger

Allein wegen dem schönen Ambiente lohnt sich der Aufstieg zum Klobenjoch. Gerade im Frühling, wenn die grünen Almwiesen rund um die Dalfazalm blühen und die Farben im Kontrast zu den letzten Schneeresten ganz besonders leuchten. In der Klobenjoch- Südwand herrschen dann gerade an windstillen Tagen schon sommerliche Temperaturen, sodass oft früh im Jahr bereits im T-Shirt geklettert werden kann bzw. muss. Natürlich kommen wir nicht nur wegen der herrlichen Natur hierher, sondern auch wegen der tollen Touren im soliden, wasserzerfressenen Kalk. Auch die humanen Hakenabstände sind ideal für eine schnelle Eingewöhnung an den Naturfels, wenn die “Vorstiegsmoral” so früh im Jahr noch etwas “eingerostet” ist. Bleibt nur die Qual der Wahl, denn es wartet eine coole Linie neben der anderen.

Ab in die Guillotine

Für den Einstieg vielleicht die Flamme (6+), die nach zwei klassischen Seillängen entlang einer riesigen Schuppe durch wasserzerfressenen Kalk bis zum Ende des Felsriegels führt. Gut aufgewärmt steht man gleich unter dem nächsten Klassiker am Klobenjoch, denn Strada del Vino (7+/8-) ist ein absolutes Muss. Zum Auflockern der Glieder bietet sich Abkasern (7) an, in der es über Platten und Löcher etwas sanfter aber unerwartet kniffelig nach oben geht. Wer einen Grad schwerer unterwegs sein möchte, wird in Eu-Stress (8-/8) oder Traummännlein (8-) glücklich, während Riss- und Verschneidungs- Liebhaber unbedingt die Gelbe Verschneidung (8+) in Angriff nehmen sollten. Auch an Test- Pieces mangelt es hier oben nicht- wer es wissen will, versucht sich an der Guillotine (8), die allerdings nicht ohne Hintergedanken so heißt. Und das waren nur einige wenige Routen, die hier oben auf euch warten!

Kurz und knackig

Alpines Sportklettern an Klobenjoch, Rotspitze und den Issplatten mit Blick auf den Achensee
Wasserrillen an den Issplatten wie Wellen am Meer. Foto: Georg Pollinger

Außer dem relativ bekannten Klobenjoch gibt es auf der idyllischen Hochebene hinter der Rofan Seilbahn noch einige alte und neue Klettergebiete mit solidem Fels und guten Sicherungen, zwei davon sind Rotspitze und Issplatten. Grau-orange leuchten eindrucksvoll die steilen Wände des Dalfazkammes herüber, wenn man vor der Erfurter Hütte steht.

Grüne Matten aus Schrofen und Latschen fallen sanft über seine Gipfel und Schultern. Der Blick bleibt am südlichsten Eckpfeiler hängen, wo das Gipfelkreuz der Rotspitze vor den blauen Konturen des Karwendels hervor sticht. Schon lange wird an der exponierten Südwand rund ums Jahr geklettert. Seitdem die meisten Klassiker saniert sind, muss auch niemand mehr in den Schlüsselpassagen zittern. Trotzdem haben die rassigen Linien noch „scharfe Zähne“.

Hanfseile und Kletterpatschen

Alpines Sportklettern an Klobenjoch, Rotspitze und den Issplatten mit Blick auf den Achensee
Bereits auf den ersten Metern der berühmten Rebitschkante (6-) steht man weit über den Almböden der Rofan-Hochebene. Foto: Georg Pollinger

Die Hände stecken tief im steilen Riss während die Füße hastig nach Tritten suchen. Selten ist die erste Seillänge einer Tour so exponiert wie in der Rebitschkante. Weit fällt der Blick hinab, fast tausend Meter tief zum glitzernden Achensee. Diese schmerzhafte Stelle, früher eine solide Fünf, ist heute mit 6- bewertet und fühlt sich an wie eine Sieben. Es muss schon ein zacher Kerl gewesen sein, dieser Rebitsch, der hier 1931 mit filzbesohlten „Kletterpatschen“ hinauf geturnt ist. Auf die Reibung vertrauend in athletischer Bewegung auf den Absatz hinauf schwingen, ist trotz moderner Haken und Vibram- Sohlen immer noch aufregend.

Best of Rotspitze

Die steile, zerklüftete Südwand mit ihren kantigen Strukturen bietet außerdem noch viele hervorragende Routen im vierten bis achten Schwierigkeitsgrad. Zwei beliebte Linien, die ebenfalls in zwei kurzen Seillängen auf den Gipfel führen, sind Mitteldurchstieg (4+) und Mauracherverschneidung (6). Das Dach’l im oberen Drittel der Wand sorgt in beiden Linien für spannende Momente.

Eher klassisch geht es dagegen im Südwandkamin (4+) zu. Der Schwierigkeitsgrad sollte auch hier nicht unterschätzt werden, Kamin bleibt Kamin. Mit klaffender Leere unter den Füßen zu klettern ist eine gute Übung für die Nerven. Auch der Südwandpfeiler heizt mit zwei kurzen, sehr lohnenden Touren ordentlich ein. Wer im rassigen Pfeilerriss (7-) nicht gleich die richtige Klemmposition findet, wird sehr schnell freiwillig unter das kleine Dach absteigen. In der Pfeilerkante (7) sind die Schwierigkeiten zwar homogener verteilt, die steile Leistenkletterei erfordert dafür gute Ausdauer. Woher die Wahnsinnskante (7) ihren Namen hat, sollte jeder für sich herausfinden. Die Fraktion der Bohrhakenmuffel wird mit Sicherheit in Afrika (8-) glücklich, einem „schöpferischen Akt“ Schrattenthalers, der nicht nur Friends und Hexen fordert. Das kleine aber feine Rotspitzl‘ ist eine alpin angehauchte „Spielwiese“ für jedermann.

Griffige Platten

Beim Abstieg fällt der Blick ins Herz des Rofan. Wo eigentlich als höchster Gipfel der Hochiss imponieren sollte, beeindrucken die strahlenden Felsflächen am Fuß seines Vorgipfels. Von dort lachen uns die Issplatten entgegen, mit ihrem kompakten, wasserzerfressenen Kalk. Ein wunderbarer Ausgleich zur steilen Wandkletterei der Rotspitze, nur eine Stunde von der Bahn entfernt. Und dennoch ein ganz einsamer und wilder Platz, im Talschluss des Wildschutzgebietes “Lange Gasse“, umringt von den schroffen Dalfazwänden und dem Hochiss.

Lets Dance

Alpines Sportklettern an Klobenjoch, Rotspitze und den Issplatten
Piaz-Tanz in der markanten Schuppe der Lambswool (4-) an den Issplatten. Foto: Georg Pollinger

Wie ein versteinerter Wasserfall ziehen tiefe Wasserrillen durch die Issplatten. Im steileren Gelände weiter oben locken Felsschuppen, Risse und Reibungskletterei. Eine Augenweide für Gleichgewichtskünstler. Auch wenn die Hakenabstände eher alpin ausfallen, wer ein paar Friends und Keile am Gurt hat, kann entspannt höher steigen. Dank traumhafter Strukturen finden Füße und Hände im rauen Kalk genügend Möglichkeiten, um den Fels hinauf zu tanzen. So wie im Tanzbein (5-), wo nur die Hüfte schwingt und nicht das berühmte „Elvis-leg“. Oder in Let’s dance (6-), um einmal nach der Pfeife Schrattenthalers‘ zu tanzen.

Die immer steiler werdenden Platten haben in der dritten Seillänge einen spannenden Höhepunkt. Etwas gemütlicher ist die sanierte Lambswool (4-). Wer glaubt, dass die Issplatten zu flach sind, wird im rechten Wandteil eines Besseren belehrt. Auf Zehenspitzen tanzen müssen nicht nur Ballerinas, am Tomahawk (8-) kommen zudem die Finger ganz schön ins Schwitzen. Völlig auspowern sollte sich hier aber niemand, denn der „Abstieg“ führt zunächst bergauf. Zum Hochiss ist es aus dem Sattel nur noch ein Katzensprung, und so kommt man auch beim Klettern an den Issplatten zu seinem Gipfel, wie es sich für eine ordentliche Klettertour gehört. Also bis demnächst im Rofan!

Lage und Zustieg

Die alpinen Sportklettergebiete Klobenjoch, Rotspitze und Issplatten liegen im Rofangebirge (Brandenberger Alpen) hoch über dem Achensee, zwischen der deutsch-österreichischen Grenze und dem Inntal. Die Rofanseilbahn verkürzt den Zustieg enorm, obwohl auch ein Aufstieg von Maurach, am südlichen Ende des Achensees möglich ist.

Zum Klobenjoch geht es von der Bergstation herüber zur Dalfazalm, und ein kurzes Stück weiter in Richtung Hochiss. Ein kleiner Pfad zweigt kurze Zeit später vom Hauptweg in Richtung Klobenjoch ab. Diesem folgt man bis unter die Wand. Zur Rotspitze geht man von der Bergstation zunächst in Richtung Dalfazalm, nach kurzer Zeit rechts zum kleinen See unter dem Gschölkopf abzweigen. Am Westufer führt ein schmaler Pfad bergauf, diesem folgend durch lichten Wald in Richtung Westen auf die Rotspitze zu.

Zuletzt in steilen Serpentinen den teils seilversicherten Steig hinauf in eine Scharte und durch Latschen zu den Klettertouren an der Südwand. Zu den Issplatten geht man von der Bergstation auf dem Wanderweg in Richtung Hochiss bis kurz vor den Gipfelgrat. An einer spitzen Kehre den Wanderweg in Richtung Süden verlassen und weglos über Steilgras, am Fuß des felsigen Hochiss Vorgipfels entlang über einen breiten Bergrücken vorsichtig bis unter die Issplatten absteigen.

Kletterführer
„Rofangebirge Kletterführer“, (Rutter/ Salvenmoser/ Kirchner/ Marbler), Panico Alpinverlag.

Anfahrt
Mit dem Auto über die A8 Richtung Salzburg bis zur Ausfahrt Holzkirchen oder A95 Richtung Garmisch-Partenkirchen bis zur Ausfahrt 9 Sindelsdorf und weiter nach Bad Tölz. Auf der B13 über die Staatsgrenze und am Achensee entlang bis nach Maurach. Alternativ über die Inntalautobahn A12 bis Ausfahrt Wiesing/ Achensee und auf der Achensee-Bundesstraße B181 nach Maurach. Mit Öffis mit der Bahn über Kufstein nach Jenbach. Mit Bus Linie 4080 nach Maurach.

Bergbahn
Rofan Seilbahn AG, Achenseestrasse 10, A-6212 Maurach, Tel. +43 5243 5292, Betriebszeiten 8:30 Uhr – 17:00 Uhr (ab Mitte Juni bis Anfang September 8:00 Uhr bis 17:30 Uhr), Revisionszeiten der Bergbahn sind im April und November.

Ausrüstung
Tendon Master 7.8mm Halbseile
Klettergurt Onyx oder Garnet
14 Expressschlingen
Grundsortiment Basic Totems und Totem Cams
Kletterhelm Penta
Kletterschuhe Tenaya RA und Triop Tiger
Zustiegsschuhe Meindl Literock GTX

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Bergfreundin Klara

Ein Bergunfall brachte mich aufgrund der entwickelten Höhenangst zum Klettern und wenn ich heute an meine schönsten Momente beim Klettern denke, dann ist es die Zeit im Portaledge, hoch droben in einer Bigwall. Ich habe nicht nur meine Angst bezwungen, Klettern hilft mir immer wieder über mich hinaus zu wachsen und die Erfahrung in den Alltag zu übertragen.

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